Argos

Zur Zeit der Grand Tour wurde Argos zunehmend in die Routen klassizistisch geprägter Griechenlandreisender eingebunden. Als eine der ältesten Städte Griechenlands war es ein lohnender Zwischenstopp auf dem Weg zu bedeutenderen Stätten wie Mykene oder Nauplia. Die Argolis gehörte zu dieser Zeit noch zum Osmanischen Reich, was von europäischen Reisenden oft als Kontrast zur antiken Vergangenheit empfunden wurde. Reisende wie Edward Dodwell und William Gell dokumentierten die noch sichtbaren Überreste – insbesondere das Theater und die Akropolis (Larisa) – und reflektierten das Spannungsverhältnis zwischen antiker Überlieferung und osmanischer Gegenwart. Obwohl Argos nicht im Zentrum des Interesses stand, wurde es als Teil der antiken Kulturlandschaft der Argolis geschätzt und in den gelehrten Diskurs der europäischen Altertumsforschung eingebettet.
Argos, gelegen in der Region Argolis auf der östlichen Peloponnes in Griechenland, gilt als eine der ältesten ununterbrochen bewohnten Städte Europas. Ihre Siedlungsgeschichte reicht über 7.000 Jahre zurück, bis in das späte Neolithikum. Bereits in der Bronzezeit war die Region von großer Bedeutung, vor allem in der Nähe des benachbarten Mykene. In den homerischen Epen tritt Argos als bedeutende Stadt auf – in der Ilias etwa wird sie als Heimat vieler griechischer Helden genannt. In der mittelhelladischen Zeit breitete sich die Siedlung, die eine Fläche von rund 20.000 m² umfasste und vermutlich befestigt war, zwischen dem Larisa-Hügel und dem etwas niedrigeren Prophitis-Elias-Hügel aus. Am Westabhang haben sich Reste der Heiligtümer des Apollon Deiradiotes und der Athena Oxyderkes erhalten.
Im 7. und 6. Jahrhundert v. Chr., also in der archaischen Zeit, entwickelte sich Argos zu einem der führenden Stadtstaaten der griechischen Welt. In der klassischen Epoche (5. und 4. Jahrhundert v. Chr.) spielte die Stadt zudem eine zentrale Rolle in der künstlerischen Entwicklung Griechenlands – insbesondere in der Bildhauerei. Der berühmte Bildhauer Polyklet stammte aus Argos.
Im Jahr 468 v. Chr. zerstörte Argos das benachbarte Mykene. Der Grund: Mykene hatte sich während der Perserkriege der panhellenischen Allianz angeschlossen, während Argos neutral geblieben war. Der Angriff war Teil eines regionalen Machtkampfs, in dem Argos seine Vormachtstellung in der Argolis festigen wollte. Seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. geriet Argos zunehmend in Rivalität mit dem aufstrebenden Sparta. Diese Gegnerschaft verschärfte sich im 5. Jahrhundert, als sich in Argos eine demokratische Verfassung etablierte – mit einer im Vergleich zu anderen Poleis relativ starken Stellung der Beamten.
Bis in die hellenistische Zeit konnte sich Argos behaupten, geriet jedoch immer wieder unter wechselnde politische Einflüsse. Unter römischer Herrschaft verlor die Stadt zunehmend an Bedeutung. Auch während der byzantinischen Epoche blieb Argos bewohnt und überstand wiederholte Eroberungen – durch Slawen, Franken, Venezianer und Osmanen –, ohne je vollständig aufgegeben oder zerstört worden zu sein.
Die archäologische Stätte Argos
In der archäologischen Stätte Argos kann man die sehenswerten Ruinen einiger bedeutender Bauwerke bestaunen, die sich einst im Zentrum der antiken Stadt befanden. Besonderes Interesse verdient dabei natürlich das aus hellenistischer Zeit stammende Theater, das 20.000 Besuchern Platz bot. In unmittelbarer Nähe befinden sich die besterhaltenen Reste römischer Thermen auf griechischem Boden. Auch das Archäologische Museum ist unbedingt einen Besuch wert. Dort ist nämlich die einzige vollständig erhaltene Rüstung eines Hopliten aus dem 7. Jh. v. Chr. ausgestellt.
In hellenistischer Zeit wurde aus dem Fels am südwestlichen Fuß des Larissa-Hügels eine gewaltige Theateranlage mit 82 Sitzreihen herausgeschlagen. Die durch künstliche Erdaufschüttungen hergestellten Seitenflügel sind heute verschwunden. Der Zuschauerraum, der durch Treppenaufgänge und Umgänge in verschiedene Sektoren aufgeteilt war, bot ungefähr 20.000 Zuschauern Platz. Die ersten Reihen an der Orchestra waren mit Marmorsitzen für Würdenträger ausgestattet. Die kreisrunde Orchestra hat einen Durchmesser von 26 m. In hellenistischer Zeit fanden in diesem Theater Musik- und Theateraufführungen statt. Das heutige Aussehen des Theaters ist auf Erneuerungen zurückzuführen, die in römischer Zeit durchgeführt wurden. Das griechische Bühnenhaus wurde durch ein Skenengebäude ersetzt, das heute wieder entfernt wurde, um die griechischen Reste der Theateranlage wieder sichtbar zu machen. In römischer Zeit wurden hier auch Tierhatzen und Gladiatorenkämpfe abgehalten.
An der Stelle, an der sich ein griechisches Theater aus dem 5. Jh. v. Chr. befand, wurde im 1. Jh. n. Chr. ein römisches Odeion errichtet. Das Odeion, das über einen überdachten Zuschauerraum verfügte, wurde ebenfalls in den Hang hineingebaut. Die halbrunde Anlage diente der Aufführung von Musikstücken, Rezitationsvorträgen, Abhaltung von Streitgesprächen und Versammlungen. Der anfänglich rechteckige Bau, der bis zu 1800 Menschen Platz bot, wurde im 3. Jh. n. Chr. zu einem halbkreisförmigen umgebaut.
Im 7. Jh. v. Chr. errichtete man weiter südlich am Hang ein Heiligtum der Aphrodite. Im 6. Jh. v. Chr. wurde der Bereich mit einer Mauer umgeben und ein kleiner Tempel, ein Altar und eine Säulenhalle errichtet. Reste des dreistufigen Unterbaus des Tempels, der um 430 v. Chr. von den Goten zerstört wurde, haben sich erhalten. Vor dem Tempel sieht man die Fundamente des sechs Meter langen Altars.
Östlich des Theaters haben sich die Reste eines beeindruckenden Ziegelbaus erhalten, der zu einer weitläufigen römischen Thermenanlage aus dem 2. Jh. n. Chr. gehörte. Sie haben die Zeit nur deswegen überstanden, weil der Bau in christlicher Zeit als Kirche benutzt wurde. In vorrömischer Zeit befand sich an der Stelle ein Gebäude, das mit dem Kult der ägyptischen Götter in Verbindung zu bringen ist. Um 100 n. Chr. stand hier ein großer säulenumstandener Hof, der anscheinend ebenfalls als Heiligtum genutzt wurde. Zur Zeit Kaiser Hadrians schließlich kam es dann zur Errichtung der römischen Thermen, die unter der Schirmherrschaft des Asklepios standen.
Östlich der römischen Thermen liegt die Agora des antiken Argos. Da sie großteils unter bebautem Stadtgebiet liegt, ist bisher nur sehr wenig ausgegraben worden. Bei einem quadratischen Bau von 32 m Seitenlänge, dessen Dach von 16 Säulen, deren Basen sich erhalten haben, getragen wurde, nimmt man an, dass es sich um ein Bouleuterion handeln könnte. Nach Süden hin schließt sich eine 84 m lange Stoa an, die zur Agora hin offen war. In der Mitte der Agora befand sich ein Nympheum, dessen Dach von acht Säulen gestützt wurde.

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Archaeological Site Argos
BUCHEMPFEHLUNGEN
- E. Spathari: Korinthia - Argolis. Esperos (2013)
- Josef Fischer: Mykenische Paläste: Kunst und Kultur. Philipp von Zabern (2017)
- J. Lessley Fitton: Die Minoer. Theiss (2004)
- Zeit der Helden: die "dunklen Jahrhunderte" Griechenlands 1200 - 700 v. Chr. Badisches Landesmuseum Karlsruhe. Primus (2008)
- Götter und Helden der Bronzezeit. Europa im Zeitalter des Odysseus. Bonn: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland (1999)
- Richard T. Neer: Kunst und Archäologie der griechischen Welt: Von den Anfängen bis zum Hellenismus. Philipp von Zabern (2013)
- Katarina Horst u.a.: Mykene. Die sagenhafte Welt des Agamemnon. Philipp von Zabern (2018)
- George E. Mylonas: Mykene. Ein Führer zu seinen Ruinen und seine Geschichte. Ekdotike Athenon ( 1993)
- Ingo Pini: Beiträge zur minoischen Gräberkunde. Deutsches Archäologisches Institut (1968)
- Hans Günter Buchholz: Ägäische Bronzezeit. Wissenschaftliche Buchgesellschaft (1987)
- Heinrich Schliemann: Bericht über meine Forschungen und Entdeckungen. Fachbuchverlag Dresden (2019)
- Mykene: Die sagenhafte Welt des Agamemnon. Badisches Landesmuseum Karlsruhe (2018)
- Louise Schofield: Mykene: Geschichte und Mythos. Zabern (2009)
- Sigrid Deger-Jalkotzky und Dieter Hertel: Das mykenische Griechenland: Geschichte, Kultur, Stätten. C.H. Beck (2018)
- Angelos Chaniotis: Das antike Kreta. Beck'sche Reihe (2020)
- Karl-Wilhelm Welwei: Die griechische Frühzeit: 2000 bis 500 v.Chr. Beck'sche Reihe (2019)