Gortyn

Das antike Gortyn

Bekannt ist das antike Gortyn vor allem deswegen, weil hier das als „Große Inschrift“ bezeichnete Stadtrecht, eines der ältesten bekannten europäischen Gesetze, gefunden wurde. Geschichtliche Bedeutung erhielt die im südlichen Teil Kretas gelegene Stadt, die schon seit dem Neolithikum bewohnt war, mit dem Einfall der Dorer. Da sie sich von Anfang an auf die Seite der Römer gestellt hatte, blieb sie unzerstört und wurde sogar Hauptstadt der römischen Provinz Creta. Sehr früh wurde Gortyn zu einem Zentrum der Christianisierung. Der Apostel Paulus predigte hier, und bereits im 2. Jh. n. Chr. war Gortyn Bischofssitz. Nach der Teilung des Römischen Reiches im Jahre 395 n. Chr. verlor die Stadt immer mehr an Bedeutung. Im 9. Jh. wurde sie schließlich von einfallenden Arabern zerstört.
Das von Homer in der Ilias erwähnte „festummauerte“ Gortyn soll laut Gründungsmythos ein Schauplatz einer der vielen Affären von Zeus sein. Demzufolge hatte Zeus, der in Stiergestalt auftretend die schöne Prinzessin Europa aus ihrer Heimat Phönizien nach Kreta entführt hatte, mit dieser unter einer immergrünen Platane (ein Baum, der noch heute in Gortyn zu sehen ist) eine Affäre, aus der drei Kinder hervorgingen, die die Könige der drei minoischen Paläste Kretas werden sollten. Laut Theophrast, ein bedeutender Schüler des Aristoteles, soll sich diese Platane noch zu seinen Lebzeiten dort befunden haben. Jedenfalls ist es so, dass in Gortyn neben einer kolossalen Europastatue auch zahlreiche Münzen gefunden wurden, die Europa mit einem Stier zeigen. 

Aus der Zeit um 500 v. Chr. bis 450 v. Chr. stammen die im 19. Jh. entdeckten, aus 42 Steinblöcken zusammengesetzten Inschrifttafeln, auf denen das Stadtrecht von Gortyn schriftlich festgehalten wird. Ursprünglich befand sich der in altdorischem Dialekt verfasste Text an den Wänden eines öffentlichen Gebäudes an der Agora des antiken Stadtstaates. Zwölf dieser Tafeln haben sich erhalten und können (allerdings nur hinter Gittern) beim römischen Odeion besichtigt werden. 

Steintafeln der „Großen Inschrift“: Afrank99. © Bild: Wikimedia Commons

In dieser längsten noch erhaltenen griechischen Inschrift (übrigens einer der ältesten europäischen Gesetzestexte) sind Bestimmungen zum Strafrecht (Strafen bei Ehebruch, Vergewaltigung etc.), Erbrecht, Prozessrecht (etwa Adoptionen, Liegenschaftsstreitigkeiten) oder auch Familienrecht (Scheidung etc.) angeführt.



Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts werden von italienischen und griechischen Archäologen umfangreiche Ausgrabungsarbeiten durchgeführt. Die bereits freigelegten Ruinen dehnen sich über ein ziemlich großes Gebiet aus. Von besonderem Interesse sind dabei die Überreste des im 1. Jh. n. Chr. erbauten römischen Odeions, das damals überdacht war. Die Orchestra war mit weißen und schwarzen Marmorplatten ausgelegt. Die Südwand besaß Nischen, in denen Statuen aufgestellt waren. An der Nordseite wurde dem Odeion eine ältere Mauerkonstruktion einverleibt, in der sich die berühmten Inschrifttafeln befinden. 

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Südlich des Odeions hat sich ein Gebäude aus frühchristlicher Zeit erhalten. Es handelt sich dabei um die sog. Titus-Basilika, die im 6. Jh. n. Chr. an der Stelle erbaut wurde, an der angeblich der Heilige Titus, ein Schüler des Apostels Paulus und erster Bischof Kretas mit Sitz in Gortyn das Martyrium erlitten hatte. Nur der Altarbereich der Basilika steht noch.

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Außerhalb des eingezäunten Geländes befindet sich ein monumentaler Komplex , der aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. stammt und die Residenz des Gouverneurs der Provinz, einige Bäder und einem Tempel umfasst.

Reste der griechisch-römischen Stadt Gortyn: Olaf Tausch. © Bild: Wikimedia Commons

Der Tempel des Apollon Pythios wurde auch als Schatzhaus benutzt. Die äußere Gestalt des Tempels wurde im Laufe seiner Geschichte mehrmals verändert. Im 7. Jh. v. Chr. besaß er nur eine viereckige Cella. Im Jahre 200 v. Chr. wurde dann eine Vorhalle mit sechs dorischen Säulen angebaut, die später durch zwei Säulenreihen von je vier korinthischen Säulen geteilt wurde. Etwas nördlich befand sich ein Naiskos für Isis, Serapis und andere ägyptische Götter.

Gortyn Tempel des Apollon Pythios

Der Tempel der ägyptischen Götter, der sich einst an einem Platz im Zentrum der Stadt (vielleicht das Forum) befand, bestand vom 2. Jahrhundert v. Chr. bis in das 4. nachchristliche Jahrhundert. 

Ausgrabungsstätte des Tempels der ägyptischen Götter: Olaf Tausch. © Bild: Wikimedia Commons

BILDNACHWEIS


  • Steintafeln der „Großen Inschrift“: Afrank99. © Bild: Wikimedia Commons
  • Reste der griechisch-römischen Stadt Gortyn: Olaf Tausch. © Bild: Wikimedia Commons
  • Ausgrabungsstätte des Tempels der ägyptischen Götter: Olaf Tausch. © Bild: Wikimedia Commons

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Archaeological Site of Gortyna


BUCHEMPFEHLUNGEN
  • Josef Fischer: Mykenische Paläste: Kunst und Kultur. Philipp von Zabern (2017)
  • J. Lessley Fitton: Die Minoer. Theiss (2004)
  • Zeit der Helden: die "dunklen Jahrhunderte" Griechenlands 1200 - 700 v. Chr. Badisches Landesmuseum Karlsruhe. Primus (2008)
  • Götter und Helden der Bronzezeit. Europa im Zeitalter des Odysseus. Bonn: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland (1999)
  • Richard T. Neer: Kunst und Archäologie der griechischen Welt: Von den Anfängen bis zum Hellenismus. Philipp von Zabern (2013)
  • Katarina Horst u.a.: Mykene. Die sagenhafte Welt des Agamemnon. Philipp von Zabern (2018)
  • George E. Mylonas: Mykene. Ein Führer zu seinen Ruinen und seine Geschichte. Ekdotike Athenon ( 1993)
  • Ingo Pini: Beiträge zur minoischen Gräberkunde. Deutsches Archäologisches Institut (1968)
  • Hans Günter Buchholz: Ägäische Bronzezeit. Wissenschaftliche Buchgesellschaft (1987)
  • Heinrich Schliemann: Bericht über meine Forschungen und Entdeckungen. Fachbuchverlag Dresden (2019)
  • Mykene: Die sagenhafte Welt des Agamemnon. Badisches Landesmuseum Karlsruhe (2018)
  • Louise Schofield: Mykene: Geschichte und Mythos. Zabern (2009)
  • Sigrid Deger-Jalkotzky und Dieter Hertel: Das mykenische Griechenland: Geschichte, Kultur, Stätten. C.H. Beck (2018)
  • Angelos Chaniotis: Das antike Kreta. Beck'sche Reihe (2020)
  • Karl-Wilhelm Welwei: Die griechische Frühzeit: 2000 bis 500 v.Chr. Beck'sche Reihe (2019)
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