Phaistos

Der Palast von Phaistos

Der Überlieferung nach ist Phaistos zusammen mit Knossos und Kydonia einer der drei Städte, die der sagenumwobene König Minos gegründet haben soll. Der nach Größe und Bedeutung zweitgrößte minoische Palast Kretas befindet sich in der Nähe der Südküste des zentralen Teils der Insel. Die Ausgrabungen, die im Jahr 1900 begannen, wurden von der Italienischen Archäologischen Schule Athen durchgeführt. Im Gegensatz zu Knossos, wo Sir Arthur Evans übrigens im gleichen Jahr zu graben begann, verzichtete man hier aber darauf, die zu Tage geförderten Ruinen phantasievoll zu rekonstruieren. Nicht zuletzt deshalb ist die auf einem Höhenrücken über der fruchtbaren Messara-Ebene gelegene archäologische Stätte absolut einen Besuch wert.

Man nimmt an, dass der Höhenrücken, auf dem sich heute die Ruinen des Palastes von Phaistos befinden, schon in der Jungsteinzeit besiedelt war. In frühminoischer Zeit standen dort kleinere, über den Hügel verstreute Siedlungen. Aber erst zu Beginn des zweiten vorchristlichen Jahrtausends begann man mit dem Bau eines ersten minoischen Palastes. Der Arbeitsaufwand dürfte enorm gewesen sein. Es mussten nämlich drei riesige Terrassen eingeebnet werden, auf denen dann die unterschiedlich genutzten Gebäudeteile errichtet werden konnten. Dieser sog. Alte Palast, der in der Zeit eine ähnliche Bedeutung wie das rund 60 km entfernte Knossos hatte, wurde in den folgenden Jahrhunderten mehrfach durch Erdbeben und Brände zerstört, zuletzt bei dem großen Erdbeben um 1700 v. Chr.


Für die Zeit um 1600 v. Chr. lassen sich Aktivitäten für den Bau eines neuen Palastes nachweisen, dessen Reste wir heute bei dem Rundgang durch das Ausgrabungsgelände sehen. Etwa um die gleiche Zeit entstand in nur 2 km Entfernung eine durch einen gepflasterten Pfad mit Phaistos verbundene kleinere Palastanlage. Nachdem diese gerne auch als königliche Villa bezeichnete Anlage in Agia Triada weitaus reichhaltiger und luxuriöser ausgestattet wurde, nimmt man an, dass in dem kleineren Palast in Agia Triada die Herrscherfamilie bzw. die minoische Elite wohnte und residierte, und sich in Phaistos das wirtschaftliche und kultische Zentrum befand. Der Neue Palast und auch die Villa in Agia Triada wurde, wie übrigens die anderen minoischen Paläste in Kreta auch, um 1450 v. Chr. durch eine Brandkatastrophe zerstört, was mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Eroberung der Insel durch die mykenischen Festlandgriechen in Verbindung zu bringen ist. Der Palast von Phaistos wurde nicht wieder aufgebaut, die rund um den Palast angelegte Siedlung blieb aber bestehen und wurde später sogar zu einem bedeutenden Stadtstaat im dorischen Kreta. 

Palast von Phaistos

Im Jahr 1900 begannen die Ausgrabungsarbeiten, die zu Beginn unter der Leitung von Federico Halbherr und Luigi Pernier standen. Bis man sich zu den minoischen Schichten vorarbeiten konnte, musste man die Überbauungen aus späteren Epochen abtragen, wobei man viel behutsamer vorging als dies bei Knossos der Fall war. Es konnten sowohl Teile des Alten wie auch des Neuen Palastes freigelegt werden. Im westlichsten Gebäude der Palastanlage entdeckte man dabei eine besonders wertvolle Scheibe aus gebranntem Ton, die mit kreis- und spiralförmig angeordneten Zeichen versehen ist. Dieser „Diskos von Phaistos“ zählt deswegen zu den bedeutendsten bronzezeitlichen Artefakten der Menschheitsgeschichte, weil bislang kein so altes Objekt mit einer vergleichbaren Schrift in einer ähnlichen Form bekannt ist. 

  • Phaistos Oberer Hof

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  • Phaistos Oberer Hof

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Auf dem obersten Plateau befindet sich ein weiter, gepflasterter Platz, der als „Oberer Hof“ bezeichnet wird. Ein Prozessionsweg durchzieht den Hof, der bereits Teil des Alten Palastes war, von Norden nach Süden. Teile des Platzes wurden in griechischer und römischer Zeit überbaut. 

Phaistos

Über eine Treppe, die auch schon in der Zeit des Alten Palastes Verwendung fand, gelangt man zum großen Westhof, der sich auf einer 6 m tiefer liegenden Ebene befindet. 

  • Phaistos Westhof

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  • Phaistos Westhof

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  • Phaistos Westhof

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  • Phaistos Westhof

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Der Westhof, der aus der selben Zeit stammt wie der Obere Hof, ist ebenfalls gepflastert. Ein erhöhter Gehweg führt vom Haupteingang des Alten Palastes bis zu den Stufen des „Theaters“. Ein anderer Weg führt zu zwei runden Konstruktionen, die an die Kouloures von Knossos oder die Getreidespeicher in Malia erinnern. Nach der Zerstörung des Alten Palastes wurde der Platz im Zuge des Wiederaufbaus im Niveau um etwa 1,3 m angehoben. Bei den Ausgrabungen zu Beginn des 20. Jhs. wurde die Aufschüttung dann wieder abgetragen. 

Phaistos Theaterplatz

Die Nordseite des Westhofs wird durch eine hohe Mauer abgeschlossen, die gleichzeitig als Stützmauer für den Oberen Hof diente. Am Fuß der Mauer befinden sich acht 22 m breite Stufen, auf denen Zuschauer saßen oder standen, um Aufführungen oder Zeremonien, die im Westhof stattfanden, zu beobachten. Dieser Theaterplatz war wie gesagt zu Zeit des Neuen Palastes etwas höher, was zur Folge hatte, dass zu der Zeit von den Stufen nur vier übrig blieben. 

Phaistos Kouloures

Die großen, brunnenartigen Konstruktionen erinnern an die Kouloures, wie es sie auch in Knossos gibt. 

Phaistos Dreiteiliges Heiligtum

Unter dem Westhof des Neuen Palastes vor dem monumentalen Treppenaufgang des neueren Propylons fanden sich die Ruinen eines kleinen Heiligtums aus der Zeit des Alten Palastes. Das Heiligtum, das aus der Zeit zwischen 1900 und 1700 v. Chr. stammt, besteht aus drei zusammenhängenden Räumen. Im mittleren, etwas größeren Raum des aus diesem Grund so genannten „Dreiteiligen Heiligtums“ befindet sich eine Bank, auf der Kultgegenstände abgestellt werden konnten. Im dahinterliegenden Raum stand ein Opfertisch. Im Nordraum wurde ein Reibstein zum Mahlen von Getreide gefunden. Vielleicht wurde hier Mehl zum Backen des als Opfergabe verwendeten „heiligen Brotes“ gesammelt. Weiter östlich lagen noch zwei Räume, von denen nur noch der westliche erhalten ist. 

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  • Phaistos Treppe

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Der beeindruckende, etwa 14 m breite Treppenaufgang gehörte zum monumentalen Haupteingang des Neuen Palastes. Die Treppen führten zu einem Propylon empor, dessen Eingang von einer gewaltigen Säule geteilt wurde. Die Basis dieser Säule ist heute noch sichtbar. 

Phaistos

Die Hauptfassade sowohl des Alten als auch des Neuen Palastes blickt in den Westhof. Die Fassade, die auf der niedrigeren Ebene zu sehen ist, gehört zum Alten Schloss. Der untere Teil der Mauern besteht aus massiven Kalksteinblöcken. Der Eingang des Alten Palastes befand sich in einer Nische in der SW-Ecke des Hofes. Es bestand aus einer monumentalen Vorhalle mit einer großen zentralen Säule, von der aus ein prächtiger, mit Gipsplatten gepflasterter Korridor zum Zentralhof führte. Weiter oben und 7 Meter rückversetzt liegt die Fassade des Neuen Palastes.

  • Pithoi

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  • Pithoi

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  • Pithoi

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Altpalastzeitliche Pithoi mit Reliefverzierung

  • Phaistos

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Südlich der Propyläen befinden sich Lagerräume, die sich zu einem Korridor öffnen. In der Mitte des Korridors ragen Teile eines Pfeilers mit quadratischem Querschnitt, der ehemals ein Dach trug, empor. Das westliche Magazin der Nordseite ist heute überdacht und enthält hohe Pithoi. 

  • Phaistos Zentralhof

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  • Phaistos Zentralhof

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Der rechteckige, gepflasterte Zentralhof, der ebenfalls aus der Zeit des Alten Palastes stammt, stellte den Mittelpunkt der Anlage und des Palastlebens dar. An der Ost- und Westseite wurde der große Platz von wahrscheinlich zweistöckigen Portiken eingerahmt, was ihm ein monumentales Aussehen verlieh. Die Portiken wurden durch Säulen und Pfeiler in abwechselnder Reihenfolge gebildet, wie es in der minoischen Architektur durchaus üblich war. 

Phaistos

Im nördlichen Teil des Ostflügels ist ein luxuriöser Gebäudekomplex aus der Zeit des Neuen Palastes erhalten, der dem Zentralhof zugewandt ist. Es ist eine Miniaturausgabe der „Königlichen Gemächer“, weshalb es als Residenz eines jungen Prinzen gedeutet wurde. Ein Raum mit einem Polythyron  hatte eine L-förmigen Kolonnade, die nach Osten geöffnet ist. Ein Lichtschacht südlich des Polythronraums führt in die Vorkammer eines kleinen "Lustralbeckens".

Phaistos

In der Mitte der Nordseite des Zentralhofs öffnet sich der Zugang zum Nordflügel des Palastes, wo sich die „Königlichen Gemächer“ befunden haben.

Phaistos

Unter dem Boden eines Binnenhofs legte man einen Boden mit polygonalem Pflaster aus der Zeit des Alten Palastes frei. Sichtbar ist auch ein schmaler Weg, der den Hof durchzog. Die runde Zisterne stammt aus griechischer Zeit.

Phaistos

Eine Treppe führt in das Obergeschoss.

  • Megaron des Königs

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  • Megaron des Königs

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  • Megaron des Königs

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Der Hauptsaal der als Königsgemächer interpretierten Räume ist unter dem Namen „Megaron des Königs“ bekannt. Der Raum wird durch eine Türwand mit wahrscheinlich deckenhohen, doppelflügeligen Türen (Polythyron) in einen westlichen und einen östlichen Teil geteilt. Der Boden ist mit Alabasterplatten ausgelegt, die Wände waren mit Fresken geschmückt. An den östlichen Teil schließt sich ein Lichthof mit zwei Säulen an der Ostseite an. Eine andere Türwand führt zu einer vorgelagerten Stoa mit drei Säulen.

Der sog. „Saal der Königin“ war ebenfalls mit Fresken geschmückt. © Bild: Wikimedia Commons

Neben dem sog. „Saal der Königin“ befindet sich ein Lustralbecken mit einer abwärts führenden Treppe. Boden und Wände des Beckens sind mit Alabasterplatten verkleidet. Im Nebenraum vermutet man eine Toilette. © Bild: Wikimedia Commons

Phaistos

Nordöstlich des Neuen Palastes dehnt sich ein altpalastzeitlicher Gebäudekomplex aus, in dem der berühmte „Diskos von Phaistos“ gefunden wurde. 

Der „Diskos von Phaistos“ ist eine Scheibe aus gebranntem Ton, die auf beiden Seiten mit Stempelmotiven, die als Abstrakta, Menschen, Tiere, Objekte identifiziert werden können, bedeckt ist. Der Inhalt der Inschrift konnte bis heute nicht mit befriedigendem Ergebnis entschlüsselt werden. © Bild: Wikimedia Commons

BILDNACHWEIS


  • Treppenaufgang: Olaf Tausch © Bild: Wikimedia Commons
  • „Gemach der Königin“: Olaf Tausch © Bild: Wikimedia Commons
  • Innenräume des Palastes: Olaf Tausch © Bild: Wikimedia Commons
  • Der am 3. Juli 1908 in der Ausgrabungsstätte von Phaistos gefundene Diskos von Phaistos (Seite B), ausgestellt im Archäologischen Museum Iraklio, Kreta, Griechenland: Olaf Tausch 
    © Bild:
    Wikimedia Commons

Suchbegriff bei Google Maps:

Archaeological Site of Phaistos


BUCHEMPFEHLUNGEN
  • Costis Davaras:  Phaistos. Kurzer bebildeter archäologischer Führer. Verlagshaus Hannibal
  • Anna Michailidou: Knossos. Ein Führer durch den Palast des Minos. Athen 2006
  • Celestina Milani: Die minoischen Paläste auf Kreta. Manfred Pawlak (1989)
  • J. A. Sakellarakis: Heraklion. Das archäologische Museum. Athen 2006
  • Josef Fischer: Mykenische Paläste: Kunst und Kultur. Philipp von Zabern (2017)
  • J. Lessley Fitton: Die Minoer. Theiss (2004)
  • Zeit der Helden: die "dunklen Jahrhunderte" Griechenlands 1200 - 700 v. Chr. Badisches Landesmuseum Karlsruhe. Primus (2008)
  • Götter und Helden der Bronzezeit. Europa im Zeitalter des Odysseus. Bonn: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland (1999)
  • Richard T. Neer: Kunst und Archäologie der griechischen Welt: Von den Anfängen bis zum Hellenismus. Philipp von Zabern (2013)
  • Katarina Horst u.a.: Mykene. Die sagenhafte Welt des Agamemnon. Philipp von Zabern (2018)
  • George E. Mylonas: Mykene. Ein Führer zu seinen Ruinen und seine Geschichte. Ekdotike Athenon ( 1993)
  • Ingo Pini: Beiträge zur minoischen Gräberkunde. Deutsches Archäologisches Institut (1968)
  • Hans Günter Buchholz: Ägäische Bronzezeit. Wissenschaftliche Buchgesellschaft (1987)
  • Heinrich Schliemann: Bericht über meine Forschungen und Entdeckungen. Fachbuchverlag Dresden (2019)
  • Mykene: Die sagenhafte Welt des Agamemnon. Badisches Landesmuseum Karlsruhe (2018)
  • Louise Schofield: Mykene: Geschichte und Mythos. Zabern (2009)
  • Sigrid Deger-Jalkotzky und Dieter Hertel: Das mykenische Griechenland: Geschichte, Kultur, Stätten. C.H. Beck (2018)
  • Angelos Chaniotis: Das antike Kreta. Beck'sche Reihe (2020)
  • Karl-Wilhelm Welwei: Die griechische Frühzeit: 2000 bis 500 v.Chr. Beck'sche Reihe (2019)
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