Das Tholosgrab von Nichoria

Am nordwestlichen Rand der Akropolis von Nichoria befindet sich ein mykenisches Tholosgrab aus der Zeit zwischen 1400 und 1200 v. Chr., das mit seiner monumentalen Architektur und reichen Beigaben von der gesellschaftlichen Stellung der Bestatteten zeugt. Seine Bedeutung reichte jedoch über die Bronzezeit hinaus: Funde aus klassischer Zeit deuten auf eine spätere Nutzung im Rahmen eines Ahnenkults hin – eine in klassischer Zeit besonders in Messenien verbreitete Praxis. So wurde das Grab zu einem Ort kultischer Erinnerung und ist ein seltenes Beispiel kultureller Kontinuität über Epochen hinweg.

  • Tholosgrab von Nichoria

    Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Tholosgrab von Nichoria

    Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Tholosgrab von Nichoria

    Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Tholosgrab von Nichoria

    Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Tholosgrab von Nichoria

    Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Tholosgrab von Nichoria

    Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button

Nichoria ist eine bedeutende archäologische Stätte in der Region Messenien im Südwesten der Peloponnes in Griechenland. Die Stätte, die etwa 2 km von der Nordwestküste des Messenischen Golfes liegt, war über mehrere Jahrtausende hinweg besiedelt – vom Neolithikum über die Bronzezeit bis in die klassische Periode. Ihre größte Bedeutung erlangte Nichoria während der späten Bronzezeit, insbesondere in der mykenischen Periode (ca. 1600–1200 v. Chr.), als es als ländliches Verwaltungszentrum innerhalb des Palastsystems von Pylos diente.


Obwohl Nichoria selbst keinen Palast besaß, wies die Architektur eines größeren Gebäudes mit Megaron-Zentrum auf eine administrative Funktion hin. Dieses Gebäude diente vermutlich einem lokalen Verwalter, der im Auftrag des Palastes von Pylos agierte. Die Verbindung zu Pylos ist durch Linear B-Tafeln belegt, die in Pylos gefunden wurden und vermutlich auch Nichoria erwähnen (möglicherweise unter dem Namen „Ti-mi-to-a-ke-e“). In dieser Zeit war Nichoria offenbar ein bedeutender Knotenpunkt für die Verwaltung, Landwirtschaft und Vorratshaltung.


Wie viele andere Zentren der mykenischen Welt wurde auch Nichoria um 1200 v. Chr. im Zuge des Zusammenbruchs der mykenischen Palastkultur aufgegeben. Während der sogenannten Dunklen Jahrhunderte (ca. 1100–800 v. Chr.) wurde der Ort erneut, wenngleich in bescheidenerem Umfang, besiedelt. In der klassischen Periode verlor Nichoria schließlich an überregionaler Bedeutung.


  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button


Das Tholosgrab von Nichoria

Obwohl das Tholosgrab am nordwestlichen Rand der Akropolis von Nichoria bereits in der Antike geplündert wurde, förderten die archäologischen Grabungen dennoch zahlreiche bedeutende Funde zutage. Das Grab wurde an einem besonders exponierten Ort errichtet und zeugt mit seiner monumentalen Architektur von der herausgehobenen Stellung der dort bestatteten Personen. Der Durchmesser der Kuppel betrug 6,60 Meter; ihre ursprüngliche Höhe wird auf über 6,50 Meter geschätzt. Innerhalb der Grabkammer befanden sich vier Grabgruben. 

  • Tholosgrab von Nichoria

    Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Tholosgrab von Nichoria

    Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Tholosgrab von Nichoria

    Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Tholosgrab von Nichoria

    Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Tholosgrab von Nichoria

    Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Tholosgrab von Nichoria

    Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button

Die Beigaben unterstreichen den hohen sozialen Rang der Bestatteten: Neben fein gearbeiteten Tongefäßen wurden Siegelsteine aus Halbedelsteinen sowie kleine Objekte aus Gold, Elfenbein und Fayence gefunden. Besonders bemerkenswert ist ein Depotfund in einer Vertiefung zwischen den Gruben 1 und 2: Hier kam ein Haufen bronzener Geräte und Gefäße zum Vorschein, darunter ein gebogenes Schwert mit einem Griff aus Elfenbein.

Das Tholosgrab war während der Blütezeit von Nichoria, also im 14. bis 13. Jh. v. Chr. in Gebrauch. Spuren späterer Aktivität – darunter Keramikfunde und Brandreste – deuten darauf hin, dass der Ort auch in der spätklassischen und hellenistischen Zeit (ab dem späten 5. Jh. v. Chr.) genutzt wurde, vermutlich im Rahmen eines Ahnen- oder Heroenkults. Solche Formen der rituellen Verehrung mythischer oder historischer Vorfahren sind besonders für Messenien gut belegt, finden sich aber auch in anderen Regionen Griechenlands.

Tholosgrab von Nichoria


Ahnenkult als kulturelles Phänomen nach der mykenischen Zeit

Nach dem Zusammenbruch der mykenischen Palastkultur um 1200 v. Chr. verloren viele Siedlungen und Grabanlagen zunächst ihre ursprüngliche Funktion. Ab dem 8. Jh. v. Chr. jedoch – in einer Phase kultureller und politischer Neuformierung – wurden zahlreiche monumentale Gräber, darunter auch Tholosgräber, erneut aufgesucht und rituell genutzt. Diese Wiederverwendung fällt zeitlich mit der Entstehung einer neuen historischen Erinnerungskultur zusammen, in deren Rahmen mykenische Bauwerke als Stätten mythischer Vorfahren oder Heroen gedeutet wurden.



Im Zuge dieser Neuinterpretation entwickelten sich lokale Heroenkulte, bei denen den vermeintlichen Ahnen Opfer dargebracht und Feste gefeiert wurden. Solche Praktiken sind archäologisch etwa durch Brandspuren, Keramik und Tierknochen belegt. Der Ahnen- bzw. Heroenkult gewann in der archaischen und klassischen Zeit auch politische Bedeutung: Die Verehrung mythischer Vorfahren diente oft der kollektiven Identitätsstiftung und konnte zur Legitimation lokaler Herrschaftsansprüche beitragen – sowohl in Messenien als auch in anderen Regionen Griechenlands.


Literaturangaben:

  • McDonald, W. A., & Wilkie, N. C. (1992). Excavations at Nichoria in Southwest Greece. University of Minnesota Press.
  • Antonaccio, C. M. (1995). An Archaeology of Ancestors: Tomb Cult and Hero Cult in Early Greece.
  • Snodgrass, A. (2006). Archaeology and the Emergence of Greece.

Suchbegriff bei Google Maps:
Nichoria


Palast des Nestor bei Pylos

Mykene: Wiege der mykenischen Palastkultur

Geschichte von Mykene

Nekropole von Dendra

Das Gräberfeld von Aidonia

Tiryns

Minoische und Mykenische Grabarchitektur

BUCHEMPFEHLUNGEN

 

  • Blegen, Carl W. / Rawson, Marion: The Palace of Nestor at Pylos in Western Messenia, Bd. I–IV. Princeton (1966–1973)
  • Shelmerdine, Cynthia W.: The Palace of Nestor at Pylos. In: Cynthia W. Shelmerdine (Hg.), The Cambridge Companion to the Aegean Bronze Age. Cambridge (2008)
  • Stocker, Sharon R. / Davis, Jack L.: The Lord of the Gold Rings: The Griffin Warrior of Pylos. In: Hesperia 85 (2016)
  • Davis, Jack L. / Stocker, Sharon R.: New Shaft Graves from Pylos, Greece. In: Archaeology Magazine, (2020)
  • Maran, Joseph: Mycenaean Kingship and the Emergence of Palatial Administration. In: Sigrid Deger-Jalkotzy / Irene S. Lemos (Hg.), Ancient Greece. From the Mycenaean Palaces to the Age of Homer. Edinburgh (2006)
  • Wright, James C.: The Mycenaean Feast. Princeton (2004)
  • Kilian, Klaus: Mycenaean Pylos and the Neighbouring Areas. In: Eikōn. Beiträge zur Ikonographie und Hermeneutik, Mainz (1988)
  • Josef Fischer: Mykenische Paläste: Kunst und Kultur. Philipp von Zabern (2017)
  • J. Lessley Fitton: Die Minoer. Theiss (2004)
  • Zeit der Helden: die "dunklen Jahrhunderte" Griechenlands 1200 - 700 v. Chr. Badisches Landesmuseum Karlsruhe. Primus (2008)
  • Götter und Helden der Bronzezeit. Europa im Zeitalter des Odysseus. Bonn: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland (1999)
  • Richard T. Neer: Kunst und Archäologie der griechischen Welt: Von den Anfängen bis zum Hellenismus. Philipp von Zabern (2013)
  • Katarina Horst u.a.: Mykene. Die sagenhafte Welt des Agamemnon. Philipp von Zabern (2018)
  • George E. Mylonas: Mykene. Ein Führer zu seinen Ruinen und seine Geschichte. Ekdotike Athenon ( 1993)
  • Ingo Pini: Beiträge zur minoischen Gräberkunde. Deutsches Archäologisches Institut (1968)
  • Hans Günter Buchholz: Ägäische Bronzezeit. Wissenschaftliche Buchgesellschaft (1987)
  • Heinrich Schliemann: Bericht über meine Forschungen und Entdeckungen. Fachbuchverlag Dresden (2019)
  • Mykene: Die sagenhafte Welt des Agamemnon. Badisches Landesmuseum Karlsruhe (2018)
  • Louise Schofield: Mykene: Geschichte und Mythos. Zabern (2009)
  • Sigrid Deger-Jalkotzky und Dieter Hertel: Das mykenische Griechenland: Geschichte, Kultur, Stätten. C.H. Beck (2018)
  • Angelos Chaniotis: Das antike Kreta. Beck'sche Reihe (2020)
  • Karl-Wilhelm Welwei: Die griechische Frühzeit: 2000 bis 500 v.Chr. Beck'sche Reihe (2019)