Pnyx: Versammlungsort der Bürger

Die Pnyx: Versammlungsort der Athener Bürger

Seit den Reformen des Kleisthenes um 508 v. Chr. bis zum Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. fand die Versammlung der stimmberechtigten männlichen Bürger auf dem westlich der Akropolis gelegenen Pnyxhügel statt. In der in den Felsen eingetieften, in der dritten Bauphase sogar mehr als 20.000 Menschen fassenden theaterähnlichen Anlage sprachen einst berühmte Staatsmänner und Redner wie Themistokles, Perikles oder Demosthenes von einer erhöhten Plattform aus zu den Athener Bürgern. Hier wurde über Gesetze abgestimmt, über Krieg und Frieden entschieden, über Steuern und Bürgerrechtsverleihungen bestimmt, Strafverfahren und Hochverratsprozesse in Gang gebracht, Beschlüsse über die Nahrungsmittelversorgung der Stadt gefasst oder auch über die Vergabe öffentlicher Aufträge abgestimmt. In ihrer Grundform ist die Anlage noch heute erkennbar. Gut erhalten sind die mit drei Stufen in den natürlichen Stein gehauene Rednertribüne und eine am Fuß des Hangs aus gewaltigen Felsquadern errichtete Stützmauer.

Model of the Pnyx, Period III, second half of the 4th century B.C. © ASCSA Digital Collections. American School of Classical Studies at Athens

Der Name Pnyx bezeichnet sowohl den etwa 1 km westlich der Akropolis gelegenen Hügel, auf dessen Kamm sich in der Antike eine 900 m lange Erweiterung der Stadtmauer (Diateichisma) befand, als auch die dort befindliche Anlage, in der sich seit dem Ende der archaischen Zeit alle männlichen Vollbürger zu regelmäßigen Versammlungen (Ekklesiae) trafen. Erst durch die Entdeckung eines Grenzsteins aus dem 5. Jh. v. Chr. mit der Aufschrift „Grenze des Pnyx“ im Jahr 1835 konnte man endgültig diesen für die Entwicklung der Demokratie so bedeutsamen Ort identifizieren.

Die Pnyx ist zusammen mit dem Musen- und dem Nymphenhügel ein Teil eines Höhenzuges, der in der Antike durch eine eigene Mauer geschützt die Grenze des Stadtgebietes darstellte und sich heute als beliebte Parkanlage sowohl bei Touristen als auch bei Einheimischen großer Beliebtheit erfreut. Bild: © Wikimedia Commons

Die Volksversammlungen, die zur Zeit der attischen Demokratie den obersten Souverän des Stadtstaates darstellten, fanden in der Frühzeit auf der Agora statt. Um ca. 500 v. Chr. errichtete man dann aber – im Zuge der Reformen, die Kleisthenes (um 570 – nach 507 v. Chr.) angestoßen hatte – auf dem Pnyxhügel ein halbkreisförmiges Auditorium, das durch eine niedrige, geradlinige Mauer im Norden begrenzt wurde. Die Rednertribüne (Bema) befand sich in dieser ersten Phase im nördlichen Teil dieses öffentlichen Platzes, die Redner wandten also der Akropolis den Rücken zu. Man schätzt, dass sich zu der Zeit an die 6000 Personen hier trafen, um über die Geschicke Athens zu beraten. 

Pnyx

Man kann sich leicht vorstellen, dass der Ort und seine Umgebung eine faszinierende Wirkung auf alle Beteiligten ausübten und die Redner mit einer Inspiration versorgten, mit der nicht einmal das Forum Romanum konkurrieren kann. Hier wurde schon – vor mehr als zweieinhalbtausend Jahren – das Prinzip der „Isegoria“ (das gleiche Recht jedes Bürgers, politische Angelegenheiten zu diskutieren) ganz real umgesetzt.

Anfangs fanden die Versammlungen, die von Epistaten (Amtsinhaber, die das Organisieren und Funktionieren der Institutionen überwachten) geleitet wurden, zehnmal im Jahr statt. Unterstützt wurden die Epistaten von einem Sekretär und einem Herold, der die Veranstaltung dem Volk ankündigte. Vor Beginn der Veranstaltung wurden Zeus Agoriaios (Zeus als Beschützer der Verfassung) Opfer dargebracht. Dies sollte für einen reibungslosen Ablauf sorgen. Vor der Rednertribüne saßen die führenden Mitglieder der Regierung (Prytanen), die, unterstützt von Bogenschützen, für die Aufrechterhaltung der Ordnung verantwortlich waren. Das Volk saß auf dem felsigen Boden.


Um 400 v. Chr. wurde die Ausrichtung des Auditoriums um etwa 180° gedreht. Zu diesem Zweck wurde im Norden eine neue Terrassenmauer errichtet und mit Hilfe erheblicher Erdaufschüttungen die Schaffung einer neu gewonnenen Fläche auf dem Hügelplateau ermöglicht. Die Bema wurde von der ehemals nördlichen Position in eine südliche verlegt, die Bürger hatten also in dieser zweiten Bauphase die Agora, den Aeropag und die Akropolis nicht mehr in ihrem Blickfeld. 

In der Bauphase II erfolgte der Zutritt von der Agora kommend über zwei ca. 4 m breite Treppen. © ASCSA Digital Collections. American School of Classical Studies at Athens: Agora Excavations

  • Terrassenmauer Pnyx

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Ein Teil der Terrassenmauer aus der Bauphase II ist ebenso erhalten geblieben wie Teile der dazugehörigen Treppe. 

Wahrscheinlich zwischen 345 und 335 v. Chr. wurde der Bau dann massiv erweitert. In dieser dritten Bauphase behielt man zwar die allgemeine Ausrichtung der Anlage bei, aber das Areal, auf dem sich die stimmberechtigten Bürger versammeln konnten, wurde vergrößert. Zu diesem Zweck wurde eine monumentale Stützmauer aus riesigen Steinblöcken errichtet, die man in Teilen noch heute sehen kann. Der Zugang erfolgte - wieder von der Agora kommend – mittels einer einzigen riesigen Treppenanlage in der Mitte des konkaven Bogens. Die erhöhte Steintribüne (1) wurde gegenüber des Eingangs mit drei Stufen in den natürlichen Fels gehauen. Direkt oberhalb dieser Bema befand sich der Altar des Zeus Agoriaios. In dem Konkav (2), das eine Tiefe von rund 70 m und einen Durchmesser von rund 120 m hat, konnten sich mehr als 20.000 Personen gleichzeitig aufhalten. Auf der darüber liegenden Terrasse befinden sich die Fundamente von zwei langen Säulenhallen (3). Der Bau dieser Stoen wurde nie vollendet. Möglicherweise, weil zu der Zeit der Bau des Dionysostheaters am Südhang der Akropolis schon sehr weit fortgeschritten war und man gleichzeitig den Bau der Stadtmauer (4) vorantrieb. Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. wurde dann die Pnyx als Versammlungsort der Athener Bürger aufgegeben. Fortan trat die Ekklesia im dafür anscheinend besser geeigneten Dionysostheater zusammen. Bild: © Wikimedia Commons

Die Pnyx im 19. Jahrhundert: Muller Rudolph - View of the Acropolis from the Pnyx - Google Art Project.jpg. © Wikimedia Commons

DIATEICHISMA
Um der herannahenden Gefahr durch die Makedonier begegnen zu können, erbauten die Athener Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. auf den Kämmen des Musenhügels, der Pnyx und des Nymphenhügels eine 900 m lange Mauer (Diateichisma), die an die sog. „Langen Mauern“ anschloss, die unter der Führung von Themistokles um 456 v. Chr. vollendet wurden. Diese neue Mauer durchschnitt jedoch bewohnte Teile des Stadtgebietes und ließ so einige Siedlungsgemeinschaften (Demen) wie Melete und Koile ungeschützt vor etwaigen Angriffen außen vor. Im 3. Jahrhundert v. Chr. wurde das Bauwerk umfassend repariert und ihr Verlauf im Bereich der Pnyx geringfügig verändert. In der Zeit Justinians, im 6. Jahrhundert v. Chr., wurde dieser Abschnitt der Stadtmauer noch einmal verstärkt und mit zusätzlichen Türmen versehen.

Im 3. Jh. v. Chr. hatte diese rund 900 m lange, mit runden und rechteckigen Türmen befestigte Mauer zwei Tore an den Übergängen zu den Hügeln. Zwischen dem Hügel der Musen und der Pnyx befand sich das als „Dipylon über den Toren“ (1) bezeichnete Südtor der Diateichisma. Hier wurde der Personen- und Warenverkehr zwischen Athen und seinem Hafen Piräus kontrolliert. Das nördlich davon gelegene Tor wird – aufgrund von diesbezüglichen Erwähnung in literarischen Quellen - als Melitides-Tor (2) identifiziert. Bild: ASCSA Digital Collections. American School of Classical Studies at Athens: Agora Excavations

Rundgang

  • Diateichisma

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Die Überreste der Diateichisma auf dem Pnyxhügel

Die gegen Ende des 4. Jhs. geplanten Säulenhallen wurden nie vollendet. Heute sind nur mehr Fundamentreste davon erkennbar. 

Altar of Zeus Agoriaios

Oberhalb der Bema befand sich ein Altar des Zeus Agoriaios. Dieser ursprünglich aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. stammende Altar wurde vermutlich um die Zeitenwende auf die Agora verlegt und östlich des Metroons aufgestellt.

  • Pnyx

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Die Pnyx, der Tagungsort der Volksversammlung, war rund 200 Jahre lang das politische Zentrum des demokratischen Athen. Die mehr als 20.000 Menschen fassende theaterähnliche Anlage aus der dritten Bauphase ist in ihrer Grundform noch heute ganz gut erkennbar.

  • Bema

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Die aus dem natürlichen Felsen gehauene Rednertribüne (Bema) aus der dritten Bauphase ist das markanteste Relikt aus dieser Zeit. Sie hat drei Stufen und ist insgesamt 9 m lang.

Solar Clock

Südlich des Altars des Zeus Agoriaios befindet sich die in den Fels gehauene Basis einer Sonnenuhr (Heliotropion) , die um 433 v. Chr. von dem Astronomen und Geometer Meton, errichtet wurde.

  • Heiligtum des Zeus Hypsistos

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Wie die in den Fels gehauenen Nischen im Bereich östlich der Bema zeigen, war die Pnyx auch dem Heilgott Zeus Hypsistos gewidmet. Die in verschiedenen Formen und Größen angefertigten Nischen waren dafür vorgesehen, dass die Athener dort Votivgaben in Form menschlicher Gliedmaßen deponieren konnten. Diese Nischen umgeben eine große, zentrale Nische, in der angeblich die Statue des Gottes aufgestellt war. Dieses Heiligtum des Zeus Hypsistos wurde aber erst in römischer Zeit errichtet, als dort keine Versammlungen mehr abgehalten wurden. 

  • Stützmauern Pnyx

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Die beeindruckenden Reste der Stützmauer aus der dritten Bauphase.

BILDNACHWEIS:

Suchbegriff bei Google Maps:
Pnyx Athen


With special thanks to 
Dimitrios Tsalkanis


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BUCHEMPFEHLUNGEN
  • Patrick Schollmeyer: Die 40 bekanntesten archäologischen Stätten in Athen und Attika. Nünnerich-Asmus (2019)
  • Ancient Agora of Athens – Areopagus Hill. Brief history and tour. Publication of the Association of Friends of the Acropolis. (2004)
  • Ulrich Sinn: Athen – Geschichte und Archäologie. Beck (2004)
  • Karl W. Welwei: Das klassische Athen. Demokratie und Machtpolitik im 5. und 4. Jahrhundert. WBG (1999)
  • Karl W. Welwei: Athen. Vom neolithischen Siedlungsplatz zur archaischen Großpolis: Vom neolithischen Siedlungsplatz zur archaischen Grosspolis. WBG (2001)
  • Heiner Knell: Vom Parthenon zum Pantheon- Meilensteine antiker Architektur: Meilensteine der antiken Architektur. Philipp von Zabern (2013)
  • Heiner Knell: Athen im 4. Jahrhundert v. Chr. - eine Stadt verändert ihr Gesicht: Archäologisch-kulturgeschichtliche Betrachtungen. WBG (2000)
  • Christian Meier: Athen: Ein Neubeginn der Weltgeschichte. Pantheon (2012)
  • Christian Habicht: Athen: Die Geschichte der Stadt in hellenistischer Zeit. Beck (1995)
  • Jutta Stroszeck u. Andrea Schellinger: »... in einer Ruhe die wundernimmt«: Der Kerameikos in literarischen Zeugnissen von 1863 bis heute. Kadmos (2017)
  • Jutta Stroszek: Der Kerameikos in Athen: Geschichte, Bauten und Denkmäler im archäologischen Park. Bibliopolis (2014)
  • Renate Tölle-Kastenbein: Das archaische Wasserleitungsnetz für Athen und seine späteren Bauphasen. WBG (1994)
  • Renate Tölle-Kastenbein: Das Olympeion in Athen. Böhlau (1994)
  • Gottfried Gruben u.a.: Die Heiligtümer und Tempel der Griechen. Hirmer (2001)
  • Savas Gogos u.a.: Das Dionysostheater von Athen: Architektonische Gestalt und Funktion. Phoibos (2008)
  • Emil Reisch und Wilhelm Dörpfeld: Das griechische Theater: Beiträge zur Geschichte des Dionysostheaters in Athen und anderer griechischer Theater. Hansebooks (2019)
  • Adolf Boetticher: Die Akropolis von Athen. Springer (2013)
  • Christoph Höcker und Lambert Schneider: Die Akropolis von Athen: Eine Kunst- und Kulturgeschichte. WBG (2001)
  • John McK. Camp II u. Craig A. Mauzy (Hrsg.): Die Agora von Athen: Neue Perspektiven für eine archäologische Stätte. Philipp von Zabern (2009)
  • Hans Rupprecht Goette u. Jürgen Hammerstaedt: Das antike Athen: Ein literarischer Stadtführer. C.H.Beck (2012)
  • Klaus Gallas: Reclams Städteführer Athen: Architektur und Kunst (2019)
  • Peter Connolly u. Hazel Dodge: Die antike Stadt. Das Leben in Athen und Rom. Könemann (1998)
  • Frank Börner: Die bauliche Entwicklung Athens als Handelsplatz in archaischer und klassischer Zeit (Quellen und Forschungen zur Antiken Welt). Tuduv (1996)
  • Heiner Knell: Athen im 4. Jahrhundert v. Chr. - eine Stadt verändert ihr Gesicht. WBG (2000)
  • Frank Kolb: Agora und Theater, Volks- und Festversammlung - Archäologische Forschungen, Band 9. (1981)
  • Christian Meier: Athen: Ein Neubeginn der Weltgeschichte. Pantheon (2012)
  • Leonhard Burckhardt u. Jürgen Ungern-Sternberg (Hrsg.): Große Prozesse im antiken Athen. C.H.Beck (2000)
  • Peter Funke: Athen in klassischer Zeit (Beck'sche Reihe 2074). C.H.Beck (2019)
  • Dorothy B. Thompson: An Ancient Shopping Center (Agora Picture Book 12). American School of Classical Studies at Athens (2001)
  • Laura Gawlinski: Athenian Agora (Museum Guides). American School of Classical Studies at Athens (2014)
  • Susan I. Rotroff , Robert D. Lamberton: Women in the Athenian Agora (Agora Picture Book, Band 26). American School of Classical Studies at Athens (2006)
  • Alison Frantz: The Middle Ages in the Athenian Agora (Agora Picture Book 7). American School of Classical Studies (1961)
  • Wilfried Nippel: Antike oder moderne Freiheit: Die Begründung der Demokratie in Athen und in der Neuzeit. Fischer (2008)
  • Karl-Wilhelm Welwei: Das Klassische Athen. Demokratie und Machtpolitik im 5. und 4. Jahrhundert. Primus (2001)
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