Delphi

Am Fuße der schroffen Hänge des Parnassos liegt Delphi, der sagenumwobene „Nabel der Welt“ und eine der wichtigsten panhellenischen religiösen Stätten der Antike. Im Herzen des Heiligtums stand der prächtige Apollon-Tempel, in dem die berühmte Pythia, Apollons geweihte Priesterin und Stimme seines Orakels, ihre Weissagungen verkündete — Orakelsprüche, die von Königen, Feldherren, Dichtern und Pilgern aus ganz Griechenland erbeten wurden. Alle vier Jahre machten die Pythischen Spiele Delphi zudem zum kulturellen Zentrum Griechenlands, wenn Athleten, Musiker und Dichter in sportlichen und künstlerischen Wettkämpfen Apollon ehrten. 


Lange bevor die École française d’Athènes 1892 mit der „Großen Ausgrabung“ begann, zog Delphi Reisende aus ganz Europa an. Bereits 1436 besuchte der Humanist Cyriacus von Ancona Kastri — ein Dorf, das auf den Ruinen des antiken Heiligtums von Delphi errichtet war. In den 1750er Jahren dokumentierten die englischen Architekten James „Athenian“ Stuart und Nicholas Revett Mauerreste und Befunde. Solange Kastri die antiken Überreste überdeckte, waren großangelegte Grabungen aber unmöglich. Dennoch gehörte Delphi im Zeitalter der Grand Tour zu den Sehnsuchtszielen gebildeter Reisender.  So besuchten etwa  Lord Byron und John Cam Hobhouse im Jahr 1809 den Ort. Die wenigen sichtbaren Relikte, die Mythen und die dramatische Berglandschaft machten Delphi für sie zu einer Quelle poetischer Inspiration.


Delphi war schon in  mykenischer Zeit (etwa 16.–11. Jh. v. Chr.) bewohnt und galt früh als heiliger Ort, an dem die Erdgöttin Gaia, Sinnbild der Fruchtbarkeit, verehrt wurde. Später, als sich der gemeinsame griechische Götterhimmel herausbildete, wurde daraus das Heiligtum des Apollon. Dort verkündete die Priesterin Pythia ihre berühmten Orakelsprüche.



Ab dem 7. Jh. v. Chr. gewann Delphi überregionale Bedeutung, und ab dem 6. Jh. fanden hier die Pythischen Spiele statt – Feste mit sportlichen und musikalischen Wettkämpfen. Auch politisch war der Ort wichtig: Zunächst beherrschten phokische Siedler aus Kirra Delphi, bis im Ersten Heiligen Krieg (um 595–585 v. Chr.) die Athener eingriffen. Danach entstand der Amphiktyonenbund, ein Zusammenschluss griechischer Stämme, der den Schutz des Heiligtums übernahm.

Bereits in der Antike besaß das Heiligtum den Charakter eines Freilichtmuseums. Spekulative Illustration des antiken Delphi vom französischen Architekten Albert Tournaire. © Bild: Wikimedia Commons

548 v. Chr. brannte der Apollontempel ab; den Wiederaufbau finanzierten die aus Athen verbannten Alkmäoniden. Später wechselte die Kontrolle mehrmals: Nach dem Zweiten Heiligen Krieg (449–448 v. Chr.) übernahmen erneut die Phoker die Aufsicht über die Spiele. 356 v. Chr. plünderten sie unter Philomelos Delphi, was den Dritten Heiligen Krieg (356–346 v. Chr.) auslöste. Dieser endete mit ihrer Niederlage und dem Aufstieg Makedoniens unter Philipp II. Der Vierte Heilige Krieg (339 v. Chr.) führte 338 v. Chr. zur Schlacht von Chaironeia, die die makedonische Vorherrschaft festigte.

Schatzhaus der Siphnier Delphi

Ausschnitt aus der nördlichen Friesseite des Schatzhauses der Siphnier (ca. 530 v. Chr.): Darstellung der Gigantomachie, des mythischen Kampfes der olympischen Götter gegen die Giganten – ein Sinnbild für den Sieg von Ordnung und göttlicher Macht über das Chaos. Links ist der Löwe des von Themis gelenkten Wagens zu sehen, der sich in den Kampf stürzt und so die göttliche Übermacht zusätzlich unterstreicht. Archäologisches Museum Delphi

279 v. Chr. übernahmen nach der Abwehr einer gallischen Invasion die Aitolier die Kontrolle, 191 v. Chr. folgten die Römer. In römischer Zeit wurde Delphi mehrfach geplündert: 86 v. Chr. von Sulla und 66 n. Chr. von Kaiser Nero, der auf seiner Griechenlandreise zahlreiche geweihte Kunstwerke nach Rom bringen ließ – von antiken Autoren als „Plünderung“ verurteilt, auch wenn es eher einer staatlichen Beschlagnahme glich. Spätere Kaiser, besonders aus der flavischen Dynastie, förderten zwar Restaurierungen, doch das Heiligtum verlor stetig an Bedeutung. Mit dem Vordringen des Christentums und den antiheidnischen Gesetzen der Spätantike kam das Orakel im späten 4. Jh. n. Chr. endgültig zum Erliegen; unter Theodosius I. wurde die Kultstätte um 381 n. Chr. geschlossen.

Delphi – 3D reconstruction. Ancient Athens 3D

Die archäologische Stätte von Delphi

Delphi gehört zu den bedeutendsten Kultstätten des antiken Griechenlands. Im Zentrum liegt das obere Heiligtum des Apollon (1), in dem die Priesterin Pythia Orakelsprüche verkündete; Tempel, Schatzhäuser und Statuen dokumentieren seine religiöse und politische Bedeutung. Oberhalb des Apollon-Heiligtums befindet sich das Stadion (2), in dem vor allem die athletischen Wettkämpfe der Pythischen Spiele ausgetragen wurden. Am östlichen Rand der Anlage entspringt die Kastalische Quelle (3), an der sich Pilger und Priester vor dem Besuch des Orakels reinigten. Unterhalb liegt das Heiligtum der Athena Pronaia (4) mit der charakteristischen Tholos, die der Verehrung Athenas und lokaler Gottheiten diente. Das Gymnasion (5), nur von der Straße aus sichtbar, war nicht nur Trainingsstätte für Leichtathletik, sondern Teil der griechischen Paideia: Hier verbanden sich körperliche Ertüchtigung mit musischer und geistiger Bildung sowie religiöser Vorbereitung. Das Museum von Delphi (6) ergänzt die Stätte und präsentiert Fundmaterial aus allen Epochen, das zentrale Aspekte von Religion, Kunst und Kultgeschichte veranschaulicht.


Das Heiligtum des Apollon (1)

Bevor der Apollon-Kult dominierte, wurde an dieser Stelle wahrscheinlich die Erde in Gestalt der Göttin Gaia verehrt. Diese Deutung stützt sich unter anderem auf bronzezeitliche (mykenische) Befunde in der Umgebung. Seine eigentliche Blüte und seine panhellenische Bedeutung erreichte Delphi jedoch mit dem Aufkommen des Apollon-Kults und der Etablierung des Orakels in der archaischen Zeit (8.–6. Jahrhundert v. Chr.). Die Anlage war durch eine Umfassungsmauer gesichert, in die Tore an Ost- und Westseite führten; die Stadt erstreckte sich auch außerhalb dieser Begrenzung, die im Lauf der Jahrhunderte stellenweise erweitert wurde. Um den steilen, unebenen Hang nutzbar zu machen, legte man terrassierte Ebenen mit Stützmauern an, die Platz für zahlreiche Votivgeschenke schufen.



Im 6. Jahrhundert v. Chr. entstand hier der erste steinerne Tempel des Apollon, und in dieser Zeit wurden auch die meisten der bekannten Schatzhäuser errichtet – kleine, tempelähnliche Bauten, in denen Städte ihre Weihegaben aufstellten. Zentral für den sakralen Raum waren der Apollontempel selbst und die Heilige Straße, die vom südöstlichen Haupteingang in verschlungenem Verlauf zum Tempel hinaufführte und vor einem großen Altar endete, der als Weihgeschenk aus Chios überliefert ist. Entlang dieses Prozessionswegs wurden im Lauf der Jahrhunderte Hunderte kostbarer Weihegaben aufgestellt — Statuen, Tripoden, inschriftlich versehene Basen, Säulen und Stelen — so dass das Heiligtum bereits in der Antike den Charakter eines Freilichtmuseums besaß. Von vielen dieser Kunstwerke sind heute nur noch Inschriften oder antike Beschreibungen (vor allem die des Pausanias aus dem 2. Jahrhundert n. Chr.) erhalten.

(1) Tempel des Apollo, (2) Altar des Apollo (Altar der Chianer), (3) Halos, (4) Bouleuterion, (5) Prytaneion, (6) Theater, (7) Heiligtum des Dionysos, (8) Heiligtum von Gaea, (9) Heiligtum des Neoptolemos, (10) Lesche der Knidier, (11) Stoa der Athener, (12) Stoa des Attalus, (13) West-Stoa, (14) Schatzkammer der Athener, (15) Schatzkammer der Siphnier (16) Schatzkammer der Sikyonier, (17) Schatzkammer der Äoler, (18) Schatzkammer der Böotier, (19) Schatzkammer der Knidier, (20) Schatzkammer der Korinther, (21) Schatzkammer der Kyrenier, (22) Schatzkammer der Megarianer, (23) Schatzkammer der Potidaeer, (24) Schatzkammer der Thebaner, (25) Fels der delphischen Sibylla, (26) Säule des Prusias II, (27) Säule des Aemilius Paullus, (28) Kolonne der Naxianer, (29) Schlangensäule von Plataeae, (30) Daochos Votiv oder Denkmal der Thessalier, (31) Denkmal des Krateros, (32) Wagen der Rhodier, (33) Exedra der Könige von Argos, (34) Exedra der Epigonen, (35) Votivaltar von Taras, (36) Votivaltäre von Athen, Arkadien, Argos und Sparta, (37) Bulle der Korkyraner, (38) Temenos-Mauer, (39) Römische Agora, (40) Heiliger Weg, (41) Der Weg zum Stadion © Bild: Wikimedia Commons

Die römische Agora

Gleich beim Betreten der archäologischen Stätte stößt man auf die römische Agora, den großen Marktplatz aus römischer Zeit. Sie wurde als großer rechteckiger, gepflasterter Platz angelegt und war an drei Seiten von ionischen Säulenhallen umgeben. Die Südseite wurde durch einen mauerartigen Abschluss begrenzt. 

Die Abbildung zeigt die römische Agora. Im Hintergrund ist ein zweisäuliges Propylon mit Architrav zu erkennen, das den monumentalen Zugang von der unteren Stadt in den Marktplatzbereich markierte. Durch dieses Tor betraten Besucher zunächst die Agora, bevor sie über die Heilige Straße in das eigentliche Apollonheiligtum gelangten.

In der römischen Kaiserzeit diente die Agora als Markt- und Versammlungsort. Hier konnten Besucher Opfergaben, Votivgaben und andere religiöse Gegenstände erwerben. Fünf Läden an der Rückseite der nördlichen Stoa boten solche Waren an. In der Spätantike wurde der Platz weiterhin genutzt – teils für Handel, teils als Werkstattbereich für Kunsthandwerker. Heute ist vor allem die nördliche ionische Stoa erhalten. Dort befinden sich Marmortafeln mit eingravierten Kreuzen, die aus einem späteren christlichen Bauwerk stammen, das vermutlich zwischen dem 5. und 7. Jahrhundert n. Chr. errichtet wurde.

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Die Heilige Straße

Der Zugang zum Apollonheiligtum in Delphi erfolgte durch mehrere Tore in der Umfassungsmauer. Der Haupteingang lag im südöstlichen Bereich der Einfriedung, an der Stelle, die heute mit den Resten der römischen Agora/des Vorplatzes korrespondiert. Von hier begann die Heilige Straße (Hiera Hodos), über die Prozessionen — etwa zu den Pythischen Spielen — zum Tempel des Apollon zogen. Pilger und Gesandte reinigten sich zuvor traditionell an der Kastalischen Quelle, bevor sie das Heiligtum betraten.

Heilige Straße in Delphi

Die Heilige Straße ist der zentrale Prozessionsweg des Heiligtums: sie windet sich in mehreren Abschnitten den Hang des Parnass hinauf und ist auf beiden Seiten von Schatzhäusern, Statuenbasen und Votivgaben gesäumt, die griechische Stadtstaaten und Einzelpersonen als Weihegaben errichteten. Viele der heute sichtbaren Pflastersteine stammen aus spätantiken Erneuerungen; unter dem Belag fanden sich jedoch ältere Monument- und Depotreste. Von den einst prachtvollen Bauten sind besonders zahlreiche Basen und Inschriften erhalten geblieben — in Delphi wurde ein sehr großer Bestand an Weihe- und Verwaltungsinschriften dokumentiert, weshalb der Ort oft auch bildhaft als „Freiluft-Bibliothek“ griechischer Inschriften bezeichnet wird.

Die Zeichnung zeigt den unteren Abschnitt der Heiligen Straße in Delphi: (1) Reste eines Schulgebäudes bzw. Fundamentfragmente, (2) das Weihemonument, das traditionell Lysander zugeschrieben wird, (3) die Weihe der Marathonier (4) ein als „Trojanisches Pferd“ bezeichnetes Votivdenkmal, (5) der bronzene Stier der Korkyreer, (6) die Weihe der Arkader, (7) eine hellenistische Stoa, (8) die Votivgaben der Argiver und (9) das Votiv der Tarentiner. Diese Bauten — Schatzhäuser, Statuenbasen, Sockel und eine Stoa — markieren den Beginn des prozessionellen Aufstiegs zum Apollon-Tempel; von den Originalausstattungen sind hauptsächlich Basen und Inschriften erhalten, die hier schematisch als Grundrisse dargestellt sind.

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Der Omphalos von Delphi

Der heilige Omphalos von Delphi galt in der antiken Überlieferung als der „Nabel der Welt“ und war ein bedeutendes Kultobjekt im Orakelheiligtum von Delphi. Der Begriff Omphalos bedeutet wörtlich „Nabel“ und symbolisierte die Vorstellung eines Mittelpunkts bzw. einer Verbindung von Himmel und Erde. Nach den Überlieferungen wurde der Omphalos als vom Himmel gefallen beschrieben. Der Omphalos erscheint in den antiken Quellen meist als unbearbeiteter Steinkörper, dessen Form zwischen Kegel und Knolle schwankt – kein fein skulpturiertes Kunstwerk, sondern ein naturbelassener, heiliger Gegenstand. Zugleich berichten Autoren wie Pausanias, dass der Stein im Heiligtum mit einem wollenen Netz (agrenon) überzogen war, dessen Knoten mit Schmucksteinen verziert wurden. An seiner Spitze sollen zwei goldene Adler angebracht gewesen sein. Diese Ausstattung verlieh dem schlichten Stein eine symbolische und kultische Würde, die seine Bedeutung als Zentrum der Welt und Sitz der göttlichen Macht Apollons hervorhob.


In der mythologischen Erzählung wird der Stein mit dem von Zeus geworfenen Stein verbunden, der den Mittelpunkt der Welt markieren sollte: Zeus sandte zwei Adler in entgegengesetzte Richtungen, und an dem Ort, an dem die Vögel wieder zusammentrafen, ließ er den Stein fallen — an jener Stelle entstand der Sage nach Delphi.

Omphalos Delphi

Im Heiligtum des Apollo spielte der Omphalos eine zentrale kultische Rolle im Zusammenhang mit der Weissagung. Antike Berichte erwähnen, dass sich im Adyton, dem innersten Bereich des Tempels, unter anderem der heilige Dreifuß, der kultische Lorbeer und der Omphalos befanden – an diesem Ort sprach die Pythia ihre Orakel. Mythologisch galt der Omphalos zugleich als jener Ort, an dem der Python, das von Apollo besiegte Ungeheuer, seinen Sitz gehabt haben soll. Der Kampf des Gottes gegen Python bildet einen wesentlichen Teil der Gründungs- und Eroberungssage des delphischen Heiligtums.


Die olympischen Spiele

Das Schatzhaus der Athener

Schatzhaus der Athener in Delphi

Das Schatzhaus der Athener ist das am besten erhaltene Bauwerk im Heiligtum des Apollon in Delphi. Es wurde aus weißem parischem Marmor errichtet und von den Bürgern Athens dem Gott Apollon Pythios geweiht. Über den genauen Anlass der Weihung besteht in der Forschung Uneinigkeit: Das Bauwerk wurde entweder zur Erinnerung an die Einführung der Demokratie in Athen nach dem Sturz der Peisistratiden im Jahr 510 v. Chr. errichtet oder als Dank für den Sieg über die Perser in der Schlacht bei Marathon im Jahr 490 v. Chr. Das kleine, tempelartige Gebäude diente als Schatzhaus für die Weihgeschenke und Weihegaben der Athener an Apollon, darunter vermutlich auch Trophäen und Beutestücke aus militärischen Erfolgen. Es ist im dorischen Stil gestaltet und besitzt an der Vorderseite zwei Säulen zwischen den Wandpfeilern (Anten).


Zwischen 1903 und 1906 wurde das Schatzhaus mit Mitteln der Stadt Athen archäologisch rekonstruiert – eine der ersten vollständigen Wiederaufbauten in Delphi. Eine zweite, konservatorische Restaurierung erfolgte 2004 durch das griechische Kulturministerium.

Der Skulpturenschmuck des Schatzhauses zeigt auf den Metopen die Heldentaten zweier großer griechischer Helden: Herakles und Theseus. Die originalen Reliefs befinden sich heute im Archäologischen Museum von Delphi, während an der rekonstruierten Fassade Kopien angebracht sind. Die Wände des Schatzhauses trugen zahlreiche Inschriften, darunter zwei bedeutende Päane (Lobgesänge) an Apollon, die mit der Notation der antiken Musik überliefert sind – ein seltener und wertvoller Befund für die Erforschung der griechischen Musikgeschichte. Auf einer dreieckigen Plattform südlich des Schatzhauses stellten die Athener zudem die Kriegsbeute aus der Schlacht bei Marathon zur Schau.



In der römischen Kaiserzeit, besonders im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr., wurde das Bauwerk laut epigraphischen Quellen zweckentfremdet und diente als Pfandleihhaus von Delphi.

3D reconstruction of the Treasury of the Athenians in Delphi. Created for the project "Digital Delphi" of the Ephorate of Antiquities of Phocis. Production: Diadrasis IT 3D modelling: Dimitris Tsalkanis (www.ancientathens3d.com)

Die Stoa der Athener

Die Stoa der Athener ist ein antiker Säulengang im Heiligtum des Apollon, unmittelbar südlich des Apollontempels. Ihre Nordwand wird durch die polygonale Stützmauer gebildet, die die Terrasse des Tempels trägt. Errichtet wurde die Stoa zwischen 510 und 470 v. Chr., wahrscheinlich kurz nach dem Sieg der Athener über die Perser bei Sestos im Jahr 478 v. Chr. Sie stammt somit aus der frühen klassischen Periode. In der Stoa wurden Trophäen aus den persischen Kriegen ausgestellt – insbesondere Waffen und Teile der persischen Flotte, darunter Seile und Schiffsschnäbel der Pontonbrücke über den Hellespont, die der persische König Xerxes hatte errichten lassen.


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Die Stoa war etwa 30 Meter lang und öffnete sich mit einer ionischen Kolonnade nach Südosten. Ihre Fassade bestand aus sieben monolithischen Marmorsäulen, von denen heute vier noch stehen. Ein hölzernes Dach überspannte den Säulengang, der einen überdachten Raum für die Weihegaben bot. Der Bau wurde offenbar aus öffentlichen Mitteln Athens finanziert und diente nicht nur als religiöse Weihung, sondern auch als politisches Symbol: Er stellte die führende Rolle Athens im Kampf gegen die Perser im panhellenischen Heiligtum von Delphi zur Schau.

Stoa der Athener in Delphi

Die Stoa der Athener steht an der polygonalen Mauer, die die Terrasse des Tempels des Apollon abstützt. Diese Mauer ist aus vieleckig zugeschnittenen Steinblöcken ohne Verwendung von Mörtel errichtet; ihre präzise gefügten Fugen zeugen von hoher handwerklicher Kunst. Sie stammt aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. und zählt zu den bemerkenswertesten Bauwerken dieser Technik im Heiligtum von Delphi.

3D reconstruction of the Stoa of the Athenians in Delphi. Created for the project "Digital Delphi" of the Ephorate of Antiquities of Phocis. Production: Diadrasis IT 3D modelling: Dimitris Tsalkanis (www.ancientathens3d.com)

Der Apollontempel

Der Apollontempel in Delphi nahm die wichtigste und prominenteste Position innerhalb des delphischen Heiligtums ein. Er war dem Gott Apollon, dem Gott der Musik, des Lichts und der Harmonie, geweiht. 

Der heute teilweise rekonstruierte Tempel stammt aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. und ist bereits das dritte Bauwerk, das an dieser Stelle errichtet wurde. © Bild: Wikimedia Commons

Nach allgemeiner Überzeugung befand sich im Inneren des Tempels das berühmte Orakel von Delphi. Der Standort wurde vermutlich gewählt, weil sich hier eine heilige Erdspalte befand, aus der Dämpfe aufstiegen. Diese sollen von der Pythia, der Priesterin Apollons, eingeatmet worden sein, wodurch sie in Trance fiel und unverständliche Laute ausstieß, die anschließend von den Priestern in rätselhafte Weissagungen übersetzt wurden.


Der erste Tempel, der der Sage nach in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts v. Chr. errichtet wurde, soll von Apollon selbst gegründet und von den Baumeistern Trophonios und Agamedes vollendet worden sein. Der zweite Tempel entstand um 514–506 v. Chr. mit finanzieller Unterstützung der athenischen Adelsfamilie der Alkmaioniden. Er war im dorischen Stil erbaut, mit sechs Säulen an den Schmalseiten und fünfzehn an den Längsseiten. Während das Hauptgebäude aus porösem Kalkstein bestand, war die Fassade aus feinem parischem Marmor gefertigt. Die Skulpturen der Giebelfelder stammten von dem athenischen Bildhauer Antenor. Der Ostgiebel zeigte Apollons triumphale Ankunft in Delphi auf einem Viergespann, während der Westgiebel den Kampf der Götter gegen die Giganten darstellte. Dieses Bauwerk wurde im Jahr 373 v. Chr. durch ein schweres Erdbeben zerstört.

Der heutige, dritte Tempel wurde 330 v. Chr. eingeweiht und wird dem korinthischen Architekten Spintharos zugeschrieben. Auch er war im dorischen Stil gestaltet und als Peripteros, also als von einer umlaufenden Säulenreihe umgebener Tempel, erbaut. Das Bauwerk bestand aus verputztem Kalkstein, während Dach und Giebelskulpturen aus parischem Marmor gefertigt waren. Für den bildhauerischen Schmuck waren die Athener Praxias und Androsthenes verantwortlich. Der Ostgiebel zeigte Apollon inmitten seiner Mutter Leto, seiner Schwester Artemis und den Musen; der Westgiebel stellte Dionysos unter seinen ekstatischen Anhängerinnen, den Thyaden, dar. An den Metopen des Tempels waren erbeutete persische Schilde aus der Schlacht bei Marathon (490 v. Chr.) sowie gallische Schilde aus dem Abwehrkampf gegen die Kelten 279 v. Chr. angebracht. 

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In der Vorhalle (Pronaos) waren, wie antike Schriftsteller berichten, die berühmten delphischen Sinnsprüche der Sieben Weisen eingemeißelt: „Erkenne dich selbst“ (gnôthi seautón) und „Nichts im Übermaß“ (mēdén ágan). Ebenso befand sich dort das rätselhafte delphische Symbol „E“, das nach moderner Deutung als „Ei“ (Εἶ) – „Du bist“ gelesen werden kann, womit es möglicherweise auf die göttliche Präsenz hinweist.

Der Überlieferung zufolge soll sich am Eingang des Apollontempels in Delphi die Inschrift „Erkenne dich selbst“ (gnôthi seautón) befunden haben. Die damit zum Ausdruck gebrachte Aufforderung, sich bei der Bewältigung der eigenen Probleme nicht in bloße Äußerlichkeiten zu verlieren, sondern sich zuerst mit seiner „Innenwelt“ zu beschäftigen, soll angeblich von einem der legendären „Sieben Weisen“ von Griechenland stammen. Ursprünglich ging es wohl nur darum, darauf hinzuweisen, dass die Menschen - anders als die Götter - sterblich, unvollkommen und begrenzt sind. Später wollte man dann den Besucher des Heiligtums dazu ermuntern, sich mit dem Phänomen seines Menschseins an sich zu beschäftigen und dieses geistig zu durchdringen. Erstmals belegt ist dieser Gedanke bei Heraklit (ca. 520 - ca. 460 v. Chr.), der feststellte, dass „allen Menschen zuteil ist, sich selbst zu erkennen und verständig zu denken.“ Mehr dazu in: Seelische Ausgeglichenheit.


Die panhellenischen Spiele

Die Schlangensäule

Die Schlangensäule war ein bedeutendes Weihegeschenk des Hellenenbundes, das nach den Siegen über die Perser in den Schlachten von Salamis (480 v. Chr.) und Plataiai (479 v. Chr.) dem Gott Apollon geweiht wurde. Sie stand zunächst im Heiligtum des Apollon in Delphi und symbolisierte den gemeinsamen Triumph der griechischen Stadtstaaten über die Invasoren. Der genaue ursprüngliche Standort der Säule ist unklar; Herodot erwähnt nur, dass der Dreifuß nahe am Altar stand, vermutlich auf der gegenüberliegenden Seite der Heiligen Straße zwischen weiteren Weihgeschenken.


Die Säule bestand aus einer bronzenen, aus drei miteinander verschlungenen Schlangen geformten Säule. Auf den Köpfen der Schlangen trug sie einen goldenen Dreifuß. Ob dieser Dreifuß aus Massivgold oder aus vergoldeter Bronze gefertigt war, ist nicht eindeutig überliefert. Auch die genaue Konstruktion der Säule ist umstritten: Nach der sogenannten „kleinen Lösung“ ruhen die Füße des Dreifußes direkt auf den Köpfen der Schlangen. Bei der „großen Lösung“ hingegen stünden die Füße des Dreifußes auf dem Boden, und die Schlangensäule würde lediglich als Mittelstütze dienen.


Im Laufe der Jahrhunderte wurde der Dreifuß mehrfach verändert: Während des Dritten Heiligen Krieges (354–343 v. Chr.) ließ man das Gold des Dreifußes durch die Phoker einschmelzen. Nach der Gründung Konstantinopels im Jahr 330 n. Chr. brachte Konstantin der Große die Schlangensäule in seine neue Hauptstadt und stellte sie im Hippodrom auf. Heute ist die bronzene Schlangensäule dort noch erhalten; der goldene Dreifuß selbst ist jedoch verloren.

Schlangensäule Delphi

Das Monument des Aemilius Paullus

Das Monument des Aemilius Paullus wurde kurz nach 167 v. Chr. im Apollonheiligtum von Delphi errichtet, um an den römischen Sieg über König Perseus von Makedonien in der Schlacht von Pydna (168 v. Chr.) zu erinnern. Mit diesem Sieg beendete Rom die makedonische Vorherrschaft in Griechenland und festigte seine politische Einflussnahme in der Region. Das Denkmal nutzte einen bereits begonnenen Sockel, der ursprünglich für ein Reiterstandbild des makedonischen Königs Perseus vorgesehen war. Dieses unvollendete Monument sollte ursprünglich die enge Beziehung zwischen dem makedonischen Königshaus und der Stadt Delphi symbolisieren. Nach dem Sieg erklärte jedoch der römische Feldherr Lucius Aemilius Paullus, „es sei nur recht und billig, dass die Besiegten den Siegern weichen sollten“, und ließ den Sockel für sein eigenes Standbild umgestalten.


Das vollendete Monument bestand aus einer bronzenen Reiterstatue des Aemilius Paullus, die auf einer rund neun bis zwölf Meter hohen rechteckigen Basis thronte. An den Einschnitten des Sockels lässt sich erkennen, dass das Pferd in aufbäumender Pose dargestellt war – ein dynamisches Bild des römischen Triumphs. Der Sockel selbst war mit einem Relieffries geschmückt, der Szenen der Schlacht von Pydna zeigt und als das früheste bekannte historische Relief der antiken Kunst gilt. Es schildert eindrucksvoll den Sieg der Römer über die makedonischen Truppen und markiert den Beginn einer neuen Ära römischer Selbstdarstellung im griechischen Heiligtum. Das Monument stand in prominenter Lage vor dem Tempel des Apollon, neben weiteren Ehrenmonumenten hellenistischer Herrscher wie Eumenes II. von Pergamon und Prusias II. von Bithynien. Während die Reiterstatue selbst verloren ist, hat sich der kunstvoll gearbeitete Fries erhalten und befindet sich heute im Archäologischen Museum von Delphi, wo er zu den bedeutendsten Zeugnissen römischer Kunst in Griechenland zählt.

Monument des Aemilius Paullus

Das Theater

Das Theater von Delphi ist eines der besterhaltenen Monumente der archäoloogischen Stätte und zeugt vom hohen geistigen und kulturellen Niveau des Apollonheiligtums. Es liegt hoch am Hang des Parnass, halbkreisförmig in den Felsen eingebettet, mit einem weiten Blick über das Tal des Pleistos. Hier fanden die musikalischen und dramatischen Wettkämpfe der Pythischen Spiele sowie weitere religiöse Feste zu Ehren Apollons statt.

Theater in Delphi

Die ursprüngliche Gestalt des Theaters ist nicht überliefert. Vermutlich saßen die Zuschauer zunächst auf Holzbänken oder auf dem Erdboden. Das erste steinerne Theater wurde im 4. Jahrhundert v. Chr. errichtet. Eine umfassende Restaurierung erfolgte 160/159 v. Chr. mit finanzieller Unterstützung durch Eumenes II. von Pergamon. Seine heutige Form erhielt das Theater in der frühen römischen Kaiserzeit. Für den Bau verwendete man lokalen Kalkstein aus dem Parnass-Gebirge.

Die Zuschauertribüne (Koilon) (1)  war tief und halbkreisförmig in den Hang gebaut und bot Platz für etwa 5000 Besucher. Sie bestand aus 35 Sitzreihen, die durch einen Quergang (Diazoma) (2) in zwei Abschnitte unterteilt waren. Gegenüber der Zuschauertribüne befanden sich die Orchestra (3), der kreisförmige Spielbereich, und die Skene (4), das Bühnengebäude, das an den Seiten von zwei Paraskenien (Seitentrakten) flankiert war. Von der Skene sind heute nur noch die Fundamente erhalten. Die Fassade der Bühne (Proskenion) war mit einem Relieffries geschmückt, der die Taten des Herakles darstellte. Dieses Werk wurde vermutlich bei Restaurierungsarbeiten im Jahr 67 n. Chr., während des Besuchs des Kaisers Nero, hinzugefügt. Der Fries ist heute im Archäologischen Museum von Delphi ausgestellt. Bemerkenswert sind auch zahlreiche Inschriften in den Mauern des Theaters, die die Freilassung von Sklaven dokumentieren – ein Hinweis darauf, dass das Theater nicht nur Ort der Kunst, sondern auch der öffentlichen und religiösen Rituale war.

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Das Stadion (2)

Das Stadion von Delphi war der Austragungsort der athletischen Wettkämpfe der Pythischen Spiele, eines großen religiösen Festes zu Ehren des Gottes Apollon. Seinen Ursprung hatte das Stadion bereits im 5. Jahrhundert v. Chr., als man zunächst nur den Boden einebnete, um eine Laufbahn zu schaffen. Die Zuschauer saßen damals einfach auf dem Erdboden. Erst in der römischen Kaiserzeit, im 2. Jahrhundert n. Chr., erfuhr das Stadion eine umfassende Umgestaltung. Unter Kaiser Hadrian ließ der wohlhabende Athener Herodes Atticus die Anlage großzügig ausbauen: In dieser Zeit entstanden die heute sichtbaren Marmorsitze und der monumentale Torbogen mit drei Arkaden, der den Eingang des Stadions markiert.


Die Start- und Ziellinien der Laufbahn waren durch eine Reihe von Steinplatten mit quadratischen Vertiefungen gekennzeichnet, in denen vermutlich Startvorrichtungen befestigt waren. Etwa 17 bis 18 Läufer konnten gleichzeitig antreten. Die Laufstrecke betrug ein pythisches Stadion, also rund 178 Meter. Für die Richter waren auf der Nordseite besondere Sitzplätze mit Rückenlehnen vorgesehen. Der monumentale Bogen am Ostrand des Stadions, unmittelbar vor dem Startpunkt der Laufbahn, ist einzigartig in Griechenland. Er bestand aus drei Arkaden, die von vier Pfeilern getragen wurden; in den beiden mittleren Pfeilern befanden sich Nischen für Statuen.


Die pythischen Wettkämpfe fanden am fünften Tag des Festes statt, das insgesamt sechs bis acht Tage dauerte. Zu den Disziplinen gehörten der Dolichos, ein Langstreckenlauf über 24 Stadien (rund 4,5 km), der Stadionlauf (Sprint über ein Stadion), der Diaulos (Lauf über zwei Stadien) sowie der Pentathlon, ein Fünfkampf aus Laufen, Ringen, Weitsprung, Diskus- und Speerwerfen. Den Abschluss bildete der Hoplitenlauf, bei dem die Athleten über zwei bis vier Stadien in Rüstung liefen – mit Helm, Beinschienen und Schild, aber ohne übrige Kleidung.

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Die Kastalische Quelle (3)

In der Schlucht zwischen den Phaedriaden (am Fuß der Hyampeia), in unmittelbarer Nähe des Apollonheiligtums, tritt die Kastalische Quelle zutage. Der Sage nach hauste hier einst der Python, den Apollon tötete; seitdem galt die Quelle als heilig und diente der rituellen Reinigung der Pythia, der Priester und der Pilger vor dem Betreten des Heiligtums. Der Name geht der Überlieferung zufolge entweder auf den Helden Kastalios oder auf die Nymphe Kastalia, Tochter des Flussgottes Acheloos, zurück. Bereits im 6. Jahrhundert v. Chr. entstand eine steinerne (archaische) Brunnenanlage, deren Wasser über bronzene Löwenkopf-Ausgüsse in ein Sammelbecken geleitet wurde. Im 1. Jahrhundert v. Chr. wurde eine zweite, tief in den Fels gehauene Anlage angelegt — die sogenannte „Felsenquelle“ — die etwa 50 Meter weiter oben lag; ihre Fassade hatte mehrere Metallausgüsse, und die in den Fels gehauenen Nischen dienten der Ablage kleiner Weihgaben. Eine der großen Nischen wurde in späterer Zeit zur Apsis einer kleinen Johannes-der-Täufer-Kirche umgewandelt. 


Kastalische Quelle


Das Gymnasion (5)

Das Gymnasion von Delphi (4. Jh. v. Chr., ca. 330 v. Chr.) war ein komplexer Bau für körperliche Ausbildung und sportliche Wettkämpfe. Auf der oberen Terrasse befand sich der Xystos, ein überdachter Laufportikus von etwa 9 m Breite und 186 m Länge; sein sandiger Boden erleichterte das Training. Die untere Terrasse umfasste die Palästra, einen quadratischen Innenhof, der von Säulengängen umgeben und von mehreren Nebenräumen flankiert war; diese dienten unter anderem als Umkleide-, Trainings- und Kampfräume. Westlich der Palästra lag ein rundes Wasserbecken von ca. 10 m Durchmesser und 1,80 m Tiefe, das mit Wasser aus der Kastalischen Quelle gespeist wurde und mehrere kleinere Steinbäder versorgte. In römischer Zeit wurde in der Nähe ein Warmbad ergänzt, das den Athleten zusätzlichen Komfort bot. Unter dem Xystos wurden archaische Baureste freigelegt, die auf frühere kultische Nutzungen hindeuten und möglicherweise mit einem Demeter-Heiligtum in Verbindung standen. In der Spätantike wurde die Palästra überbaut; später überdeckte ein byzantinisches Kloster Teile der Anlage.

Gymnasion in Delphi


Das Heiligtum der Athena Pronaia (4)

In der Antike war das Heiligtum der Athena Pronaia das erste, das Pilger und Reisende auf ihrem Weg von Attika oder Böotien zum berühmten delphischen Orakel erreichten. Wahrscheinlich verdankt die Göttin ihren Beinamen „Pronaia“ – wörtlich „die Vor dem Tempel Stehende“ – dieser Lage „vor“ dem Heiligtum des Apollon. Neben Athena wurde hier auch der lokale Held Phylakos (Phylacus) verehrt, der in der Überlieferung als Beschützer der Stadt galt. Die Nutzung des Ortes lässt sich bis in die mykenische Zeit zurückverfolgen. Archäologische Funde, insbesondere weibliche Terrakottafiguren, bezeugen eine frühe religiöse Bedeutung des Platzes. Ob diese Figuren Teil eines älteren Erdkultes – möglicherweise zu Ehren der Göttin Gaia, der ersten in Delphi verehrten Gottheit – waren oder aus mykenischen Gräbern stammen, ist bis heute ungeklärt. Fest steht jedoch, dass das Heiligtum über Jahrhunderte hinweg ununterbrochen genutzt wurde.

Die im heiligen Bezirk erhaltenen architektonischen Überreste – Tempel, Altäre, Schatzhäuser und andere Gebäude, eingefasst von einer schützenden Umfassungsmauer – gelten als herausragende Beispiele griechischer Baukunst. Im östlichen Teil des Heiligtums sind die Fundamente von zwei dorischen Tempeln der Athena (I) aus porösem Stein erhalten. Der erste stammt aus der Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr., der zweite wurde im frühen 5. Jahrhundert v. Chr. errichtet. Etwa zur Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. entstand im westlichen Bereich ein weiterer, aus grauem Kalkstein gefertigter Tempel (2), der ohne umlaufende Säulenhalle auskam. Zu den bedeutendsten Profanbauten gehören zwei Schatzhäuser. Eines von ihnen, dorischer Ordnung (3), wurde kurz nach 480 v. Chr. errichtet. Das andere, das berühmte Schatzhaus der Massalier (4), wurde um 530 v. Chr. im ionischen Stil erbaut und bestand aus glänzendem parischem Marmor. Es wurde von den griechischen Kolonisten aus Massalia (dem heutigen Marseille) gestiftet, die ursprünglich aus Phokaia in Ionien stammten. Am östlichen Rand des Heiligtums befindet sich eine Reihe von Altären, die den Kulten verschiedener Gottheiten geweiht waren – darunter Zeus, Athena Ergane, Athena Zosteria, die Geburtsgöttin Eileithyia und Hygieia, die Göttin der Gesundheit. Das beeindruckendste Bauwerk ist jedoch die berühmte Tholos (5), ein runder Tempelbau mit einer äußeren Säulenhalle, der heute teilweise rekonstruiert ist. Mit ihrer harmonischen Form und architektonischen Eleganz gilt die Tholos als eines der ästhetischen Meisterwerke der klassischen Antike und verleiht dem Heiligtum der Athena Pronaia seine unverwechselbare, zeitlose Schönheit.

Heiligtum der Athena Pronaia


Der Tempel der Athena Pronaia im Westen des Heiligtums

In der Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. (ca. 360–370 v. Chr.) wurde im westlichen Teil des Heiligtums der Athena Pronaia ein neuer Tempel errichtet, ausgeführt aus lokalem grauem Kalkstein. Der Tempel besaß eine Cella (die Innenkammer mit der Kultstatue) und davor eine Vorhalle, den Pronaos, die von den beiden nach vorn vorspringenden Seitenwänden (Antae) eingerahmt wurde. Direkt vor dem Pronaos stand eine Reihe von sechs dorischen Säulen; die Verbindung zwischen Pronaos und Cella wurde zusätzlich durch ein ionisch geordnetes Element (in vielen Rekonstruktionen als ionisches Tor oder ionische Säulen an der Öffnung) betont. Im Unterschied zu den älteren peripteralen Tempeln im östlichen Bereich hatte dieser Neubau keine umlaufende Säulenhalle (kein Peripteros), wodurch seine Form kompakter wirkt. Vom Bau sind heute vorwiegend Fundamente erhalten. Die Zuordnung der Widmung ist in der Forschung nicht vollständig unumstritten, weshalb manche Autorinnen und Autoren Zurückhaltung bei einer eindeutigen Benennung als Athena-Tempel üben.

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Die Tholos

Die Tholos von Delphi gilt als ein Meisterwerk der antiken griechischen Architektur, berühmt für ihre reiche plastische Dekoration, ihre ursprüngliche Farbgestaltung und ihre außerordentlich feine handwerkliche Ausführung. In der Antike ragte sie unter den Monumenten des Heiligtums der Athena Pronaia deutlich hervor und verlieh dem Ort eine besondere ästhetische und symbolische Bedeutung. Der Rundbau wird in die frühe erste Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. datiert. Seine Oberstruktur wurde aus Marmor des Pentelikon-Gebirges in Attika errichtet, einem Material, das wegen seiner hohen Qualität und seines zarten Glanzes geschätzt wurde. Laut dem römischen Architekten Vitruv, der das Bauwerk in seinem Werk De Architectura erwähnt, war Theodoros von Phokaia der Architekt dieses innovativen Monuments.


Die äußere Säulenhalle bestand aus zwanzig dorischen Säulen, von denen drei in den 1930er-Jahren wieder aufgerichtet wurden. Im Inneren des Rundbaus befand sich eine zweite, innere Säulenreihe mit zehn halben korinthischen Säulen, die die zylindrische Cella schmückten. Die Metopen des äußeren Frieses zeigten Reliefszenen von Kentauromachie und Amazonomachie – also Kämpfe zwischen Menschen, Zentauren und Amazonen. Diese kunstvollen Reliefs sind heute im Archäologischen Museum von Delphi ausgestellt. Das kegelförmige Dach der Tholos war ebenfalls reich verziert und trug Skulpturen, die vermutlich Siegesgöttinnen (Nike) darstellten, vergleichbar mit den Figuren aus dem Asklepieion von Epidauros.


Die genaue Funktion der Tholos ist bis heute nicht sicher geklärt. Wahrscheinlich stand sie in Verbindung mit dem Kult der Erdmutter, der ersten Gottheit, die im Heiligtum verehrt wurde. Unabhängig von ihrer ursprünglichen Bestimmung bleibt die Tholos von Delphi ein Symbol für die künstlerische und technische Meisterschaft der klassischen griechischen Baukunst.


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Die Schatzhäuser

Im Heiligtum der Athena Pronaia in Delphi befanden sich neben den sakralen Bauten auch mehrere profane Gebäude, unter ihnen zwei Schatzhäuser. Eines davon ist dorischer Ordnung und wurde kurz nach 480 v. Chr. erbaut. Es gehört somit in die Zeit nach den Perserkriegen und steht exemplarisch für die nüchterne und zugleich harmonische Bauweise der klassischen Epoche. Besonders bemerkenswert ist jedoch das zweite Gebäude – das sogenannte Schatzhaus der Massalier. Es wurde um 530 v. Chr. von den griechischen Kolonisten aus Massalia (dem heutigen Marseille) gestiftet, die ursprünglich aus Phokaia in Ionien stammten. Dieses Schatzhaus zählt zu den frühesten und kunstvollsten ionischen Bauwerken in Delphi. Es wurde meisterhaft aus leuchtend weißem parischem Marmor errichtet und schmückte seine Fassade mit zwei Säulen, die äolische Kapitelle trugen – ein seltenes und elegantes Merkmal der archaischen Architektur. Vor den beiden Schatzhäusern sind noch heute die Fundamente von Stelen zu sehen, auf denen Beschlagnahmungen und Schulden gegenüber dem Heiligtum eingetragen waren. Außerdem befand sich hier der Sockel, auf dem die delphische Siegestrophäe für den erfolgreichen Widerstand gegen die Perser im Jahr 480 v. Chr. aufgestellt war.

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Die dorischen Tempel der Athena

Im östlichen Teil des Heiligtums der Athena Pronaia in Delphi sind die Fundamente zweier dorischer Tempel erhalten, die zu den ältesten bekannten Kultbauten der Göttin an diesem Ort gehören. Beide bestanden aus porösem Kalkstein, einem typischen Baumaterial der archaischen Zeit, das in der Region leicht verfügbar war. Der erste dieser Tempel wurde um die Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. errichtet und zählt somit zu den frühesten Beispielen dorischer Architektur in Delphi. Über seine genaue Gestalt ist wenig bekannt, doch bezeugt er bereits die frühe Verehrung der Athena im sogenannten Heiligtum vor dem Tempel Apollons (Pronaia). Der zweite Tempel entstand rund zwei Jahrhunderte später, um 500 v. Chr., und zeigt eine ausgereiftere Form des dorischen Stils. Er war peripteral, das heißt, er besaß eine umlaufende Säulenhalle mit sechs Säulen an den Schmalseiten und zwölf an den Längsseiten. Das Innere gliederte sich in den Pronaos (die Vorhalle) und die Cella, in der die Kultstatue der Göttin Athena aufgestellt war. Diese klassische Raumaufteilung veranschaulicht die Weiterentwicklung des griechischen Tempelbaus von einfachen Hallenbauten hin zu harmonisch proportionierten Monumenten. Der zweite Tempel wurde im Jahr 480 v. Chr. durch ein Erdbeben zerstört – vermutlich im selben Zeitraum, in dem auch andere Bauwerke in Delphi unter Naturkatastrophen litten.



BILDNACHWEIS:

Suchbegriff bei Google Maps:
Archäologisches Museum Delphi


Das antike Olympia

Nemea

Isthmia

Die olympischen Spiele

Die panhellenischen Spiele

BUCHEMPFEHLUNGEN

 

  • Michael Maaß: Das antike Delphi. C.H. Beck (2007)
  • Michael Maass: Das antike Delphi: Orakel, Schätze und Monumente. Wissenschaftliche Buchgesellschaft (wbg) (1998)
  • Michael Scott: Delphi: A History of the Center of the Ancient World. Princeton University (2014)
  • Marion Giebel: Das Orakel von Delphi: Geschichte und Texte. Reclam (2001)
  • Georges Roux: Delphi. Orakel und Kultstätten. Hirmer (1971)
  • Peter Hoyle: Delphi und sein Orakel. Brockhaus (1968)
  • Karl-Joachim Hölkeskamp u. Elke Stein-Hölkeskamp (Hrsg.): Erinnerungsorte der Antike. Die griechische Welt. C. H. Beck (2010)
  • Balbina Bäbler u. Heinz-Günther Nesselrath (Hrsg.): Delphi. Apollons Orakel in der Welt der Antike. Mohr Siebeck (2021)
  • Michael Scott: Delphi and Olympia: The Spatial Politics of Panhellenism in the Archaic and Classical Periods. Cambridge University Press (2010)
  • Erika Simon: Die Götter Griechenlands: Kult und Mythos. Hirmer (1980)
  • Joseph Fontenrose: The Delphic Oracle: Its Responses and Operations, with a Catalogue of Responses. University of California Press (1978)
  • William J. Broad: The Oracle: Ancient Delphi and the Science Behind Its Lost Secrets. National Geographic (2006)
  • Lambert Schneider: DuMont Kunst Reiseführer. DuMont (2011)
  • Siegfried Lauffer: Griechenland, Lexikon der historischen Stätten von den Anfängen bis zur Gegenwart. Beck (1994)
  • Richard T. Neer: Kunst und Archäologie der griechischen Welt: Von den Anfängen bis zum Hellenismus. Philipp von Zabern (2013)
  • Karl-Wilhelm Welwei: Die griechische Frühzeit: 2000 bis 500 v. Chr. Beck'sche Reihe (2019)