Der Ursprung der Olympischen Spiele
Unter dem Ostgiebel des
Zeustempels in Olympia
ist dieser Mythos dargestellt: In der Mitte steht Zeus, leicht zur Seite gewandt, als göttlicher Schiedsrichter. Zu seinen Seiten treten
Pelops
und
Oinomaos
mit ihren Gefolgen auf, die sich zum entscheidenden Wagenrennen um die Hand der
Hippodameia
rüsten. Der Mythos erzählt, dass Oinomaos seine Tochter Hippodameia nur dem überlassen wollte, der ihn in einem Wagenrennen besiegte – ein fast aussichtsloses Unterfangen, da seine Pferde von Poseidon stammten. Doch Pelops konnte mit Hilfe des Wagenlenkers Myrtilos den Sieg erringen: Oinomaos stürzte zu Tode, und Pelops gewann Hippodameia. Zum Dank und zur Sühne richtete er in Olympia Wettkämpfe aus, die in der Überlieferung als Ursprung der Olympischen Spiele gelten. Auch der Name der Peloponnes („Insel des Pelops“) geht übrigens mythisch auf ihn zurück.
Neben Pelops existieren verschiedene
Herakles-Überlieferungen zur Gründung der Olympischen Spiele. In einigen Dichtungen (u. a. Stellen bei Pindar) erscheint
Herakles, der Sohn des Zeus, als Stifter der Spiele nach seinem Sieg über König Augeias von Elis und als Einführer der Olivenkrone. Eine andere, von Pausanias überlieferte Tradition berichtet von einem
Daktylus namens Herakles – einem mythischen Schmied- und Ritualbegründer aus dem Kreis der Ida-Daktylen – und dessen Brüdern, die in Olympia Wettläufe veranstalteten, um den neugeborenen Zeus zu unterhalten; auch dort wurde der Sieger mit einem Kranz aus Olivenzweigen gekrönt. Beide Varianten zeigen, dass die Ursprünge der Spiele in der antiken Mythentradition vielfältig und oft konkurrierend erzählt wurden.
Die Forschung deutet die Pelops-Sage überwiegend als Reflex lokaler, vor-dorischer (pisatischer) Traditionen; die Herakles-Überlieferung hingegen wird häufig mit der dorischen Etablierung in Elis in Verbindung gebracht und kann als Versuch verstanden werden, die Spiele institutional unter den Schutz und die Autorität des Zeus zu stellen, der im Heiligtum von Olympia zur zentralen Gottheit aufstieg.
Die Organisation der Spiele
Der Faustkämpfer vom Quirinal: Griechisches Original einer späthellenistischen Bronzestatue (zwischen dem späten 4. Jahrhundert v. Chr. und der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr.), gefunden 1885 auf dem Quirinalshügel in Rom, heute im Museo Nazionale Romano (Palazzo Massimo). Dargestellt ist ein erschöpfter Athlet nach dem Kampf, dessen Körper realistisch modellierte Verletzungen wie Schwellungen, Platzwunden und Blutungen aufweist. Deutlich erkennbar sind die eng um Hände und Unterarme gewickelten Lederriemen (himantes, in römischer Terminologie cestus), die den Schlag verstärkten und zugleich schwere Verletzungen verursachten. Die Statue veranschaulicht eindrucksvoll die Härte des antiken Faustkampfes und die für die hellenistische Kunst charakteristische Hinwendung zu realistisch-dramatischen Darstellungen.
Elis: Vorbild für ein antikes "olympisches Dorf"
Die Teilnahme an den Olympischen Spielen war ausschließlich freien griechischen Männern vorbehalten, die von freien Eltern abstammten. Etwa einen Monat vor Beginn der Spiele mussten die Athleten in Elis eintreffen, wo sie in den dortigen Gymnasien und der Palästra trainierten und von den Hellanodiken hinsichtlich ihrer körperlichen Tauglichkeit und der Einhaltung der Teilnahmevoraussetzungen geprüft wurden.
Das Training wurde zunehmend professionalisiert: Paidotriben überwachten das allgemeine Programm, Gymnastai legten individuelle Trainingspläne an, und Aleiptai sorgten für Massagen und die Körperpflege mit Öl. Diese Spezialisierung zeigt, wie sehr sich der Wettkampfsport im Lauf der Jahrhunderte institutionalisierte und eine eigene professionelle Praxis entwickelte.
Der heilige Weg: Prozession von Elis nach Olympia
Elis (Ilida), Hauptstadt der Eleer und Sitz der für die Olympischen Spiele zuständigen Behörden, lag nach antiken Angaben 300 Stadien vom Heiligtum des Zeus in Olympia entfernt (das entspricht etwa 55–60 km in moderner Umrechnung). Von Elis aus formierte sich am Vorabend der Spiele die feierliche Prozession, die entlang des sogenannten Heiligen Wegs nach Olympia zog und den offiziellen Auftakt der Olympiade bildete. An der Spitze des Zuges gingen die Hellanodikai (die Richter), Priester und Beamte von Elis sowie die Theoroi (offizielle Gesandte anderer Städte); hinter ihnen folgten Athleten und deren Trainer, Reiter und Streitwagen, Bewohner der Region sowie Pilger mit Votivgaben und Opfertieren. Auf halber Strecke passierte die Prozession die Quelle Piera, wo traditionell Reinigungsrituale stattfanden (nach Pausanias u. a. ein Schweineopfer), bevor der Zug weiterzog. Die erste Etappe endete in der Siedlung Letrinoi, wo die Teilnehmer übernachteten; am folgenden Tag erreichte die Prozession Olympia, wo die Spiele offiziell eröffnet wurden. Dieselbe Route und ähnliche Zeremonien spielten auch beim Heraia-Fest eine Rolle; die Organisation dieses Frauenfestes lag traditionell bei den sogenannten „sechzehn Frauen“ von Elis.
Der Ablauf der Olympischen Spiele
Nach der zweitägigen Prozession von Elis erreichten Athleten, Kampfrichter und Gesandte das Heiligtum von Olympia. Der feierliche Einzug führte sie entlang des Kultbezirks, an der Stelle vorbei, an der in der klassischen/hellenistischen Bauphase die
Echohalle (Stoa Poikile / Echo Stoa) stand – eine architektonisch beeindruckende Säulenhalle, deren akustische Wirkung in der Überlieferung hervorgehoben wird. Bevor die Wettkämpfe begannen, legten Athleten und ihre Trainer im
Bouleuterion einen Eid bei Zeus Horkios ab: sie schworen, die Regeln einzuhalten, auf Betrug zu verzichten und fair zu kämpfen. Auch die Hellanodikai leisteten einen Richtereid und verpflichteten sich zu unparteiischer Urteilsfindung.
Die eigentlichen olympischen Spiele erstreckten sich dann, in der klassischen Tradition, über fünf Tage, in denen Kult und Sport eng verwoben waren:
- 1. Tag:
Eröffnungsriten, die Eidesleistung im Bouleuterion und kleinere Wettkämpfe.
- 2. Tag: Fortsetzung der Wettkämpfe und Beginn der größeren gymnischen Disziplinen; oft fanden an diesem Tag auch hippische Wettbewerbe statt.
- 3. Tag: Kultischer Höhepunkt: die große Prozession zum Aschealtar des Zeus und das öffentliche Hekatombenopfer.
- 4. Tag: Fortführung der gymnischen Disziplinen wie Pankration, Pentathlon und weitere Lauf- und Kampfdisziplinen.
- 5. Tag: Abschluss mit Siegerehrungen, Festbanketten und weiteren kultischen Handlungen; die Sieger erhielten den Olivenkranz aus dem heiligen Hain des Zeus.
Die Olympischen Spiele waren ein panhellenisches Großereignis, das Menschen aus allen Regionen der griechischen Welt zusammenführte. Als Wettkämpfer zugelassen waren ausschließlich freie griechische Männer, die von freien Eltern abstammten; verheirateten Frauen war der Zutritt zum Festgelände streng untersagt. Die meisten Besucher lagerten unter freiem Himmel, während die offiziellen Theoroi – die Festgesandten der einzelnen Städte – in prächtigen Zelten oder Gästehäusern residierten. Neben den sportlichen Wettkämpfen bot Olympia auch ein bedeutendes Forum kultureller Begegnung. Dichter wie Pindar und Bakchylides trugen Siegesoden vor, Redner hielten öffentliche Ansprachen, Philosophen präsentierten ihre Lehren, und Künstler nahmen Aufträge entgegen. Olympia war damit nicht nur ein Zentrum sportlicher Wettkämpfe, sondern auch ein Ort intellektueller und künstlerischer Austauschprozesse.
Bei den antiken Olympischen Spielen war Frauen die Teilnahme ebenso wie der Zutritt zum Stadion streng untersagt. Dieses Verbot betraf vor allem verheiratete Frauen; über die Anwesenheit unverheirateter Mädchen ist wenig bekannt. Wer das Verbot missachtete, drohte der Überlieferung zufolge die Todesstrafe durch den Sturz vom nahegelegenen Berg Typaion, auch wenn ein tatsächlicher Vollzug nicht belegt ist. Eine Ausnahme bildete die Priesterin der Demeter Chamyne: Sie hatte als einzige Frau einen festen Ehrenplatz auf einem steinernen Sitz am Altar der Göttin am Nordwall des Stadions. Berühmt wurde der Vorfall um Kallipateira von Rhodos, Tochter des Olympiasiegers Diagoras und Mitglied einer über mehrere Generationen erfolgreichen Athletenfamilie. Bei den 96. Spielen im Jahr 396 v. Chr. schlich sie sich – als Trainer verkleidet – ins Stadion, um den Faustkampf ihres Sohnes zu verfolgen. Als ihre Verkleidung auffiel, verzichteten die Kampfrichter auf eine Bestrafung und würdigten die herausragenden sportlichen Leistungen ihrer Familie. Der Fall der Kallipateira blieb eine seltene Ausnahme. Für die große Mehrheit der Frauen bedeuteten die Olympischen Spiele ein rein männliches Ereignis, das sie nur aus der Ferne verfolgen konnten, während die Athleten innerhalb des Heiligtums um Ruhm und Unsterblichkeit wetteiferten.
Die Heraia waren ein eigenständiges Fest zu Ehren der Göttin Hera, das im Heiligtum von Olympia alle vier Jahre stattfand – zeitlich getrennt von den Olympischen Spielen des Zeus. Der Legende nach führte Hippodameia diese Frauenwettkämpfe ein, um der Göttin für ihre Hochzeit mit Pelops zu danken. Veranstaltet wurden die Spiele von sechzehn verheirateten Frauen aus Elis, die auch für den Ablauf der kultischen Feierlichkeiten verantwortlich waren. Zugelassen waren ausschließlich unverheiratete Mädchen und junge Frauen, die in drei Altersklassen gegeneinander antraten. Wie Pausanias in einer einzigen überlieferten Passage berichtet – die unsere einzige Quelle für diese Spiele ist –, bestand der Wettkampf aus einem Stadionlauf. Die Strecke war mit rund fünf Sechstel der Männerbahn etwas kürzer, also ungefähr 160 Meter.
Im Gegensatz zu den männlichen Olympioniken liefen die Mädchen nicht nackt. Sie trugen eine knielange Tunika (Chiton), deren rechte Schulter und Brust unbedeckt blieb, und ließen ihr Haar offen fallen. Die Siegerinnen erhielten einen Kranz aus wilden Olivenzweigen und einen Teil des Fleisches einer zu Ehren Heras geopferten Kuh. Außerdem durften sie ein Porträt oder eine Inschrift im Hera-Tempel anbringen – ein für Frauen jener Zeit bemerkenswertes Privileg, auch wenn keines dieser Bildnisse erhalten ist.
Unklar bleibt, aus welchem Einzugsgebiet die Teilnehmerinnen stammten; wahrscheinlich handelte es sich überwiegend um junge Frauen aus der näheren Umgebung. Auch das genaue Gründungsdatum ist unsicher. Die meisten Historiker vermuten einen Beginn zwischen dem 8. und 6. Jahrhundert v. Chr. Die Heraia belegen, dass es im antiken Griechenland zumindest in kultisch-religiösem Rahmen Räume gab, in denen Frauen sportliche Leistungen öffentlich zeigen konnten.
Mit der Einführung der Knabenwettkämpfe bei den 37. Olympischen Spielen im Jahr 632 v. Chr. wurde das Festprogramm erstmals um einen dritten Tag erweitert. Ziel war es, auch jugendlichen Athleten eine eigene Bühne zu geben und den Nachwuchs an die großen Spiele heranzuführen. In der Anfangszeit traten die jungen Sportler ausschließlich im Stadionlauf und im Ringkampf an. Später wurde das Programm zeitweise erweitert: Bei den Spielen von 28 v. Chr. kam ein Fünfkampf für Knaben hinzu, der allerdings eine einmalige Erscheinung blieb und bei späteren Spielen nicht mehr durchgeführt wurde. Im Jahr 6 v. Chr. wurde der Faustkampf für Knaben eingeführt, und bei den 145. Spielen 200 v. Chr. schließlich auch das Pankration, eine besonders harte Kombination aus Ringen und Boxen. Die Knabenwettkämpfe waren innerhalb des Festablaufs fest verankert. Sie fanden am zweiten Tag der Spiele statt. Nach dem feierlichen Einzug der jungen Teilnehmer begannen die Ausscheidungsrennen im Stadionlauf; der Endlauf folgte unmittelbar. Anschließend wurden die Kämpfe im Ringkampf ausgetragen. Am Nachmittag desselben Tages standen dann Faustkampf und Pankration auf dem Programm.